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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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finden.«
    »Sind in dieser Jahreszeit nicht alle Felder arm?« fragte Arflane. »Ich hörte, daß selbst Robben und Bären seltener geworden sind. Und Walrösser sind schon seit zwei Fangzeiten nicht mehr gesehen worden.«
    Brenn schürzte seine Lippen. »Mit Hilfe der Mutter des Eises werden wir über diese Zeit hinwegkommen.« Er griff nach Arflanes Arm und führte ihn über das Deck, um das Entladen zu beaufsichtigen. Das Schiff stank nach Walblut und Tran. Die Männer arbeiteten langsam und machten einen deprimierten Eindruck. Normalerweise waren sie nach einer Fangexpedition in bester Laune.
    »Wo wohnen Sie?« fragte Arflane und beobachtete die Leute, die gerade ein Kalb aus dem Laderaum hievten. Es war kaum vier Meter lang und wog auch nur wenige Tonnen. Brenn seufzte. »In der Shipsmasher-Herberge habe ich Kredit. Ich zahle dort immer eine bestimmte Menge meines Profits ein, wenn wir in Friesgalt ankern. Meine Leute sind auch gut aufgehoben, wenigstens für einige Tage, und dann werden wir hoffentlich wieder segeln können. Kommt auf das Geschäft an, das ich mit den Händlern abschließe – und wann ich es abschließen kann. Morgen suche ich mir das beste Angebot aus.« Die Shipsmasher-Herberge war nicht die beste in Friesgalt. Tatsächlich hielt man sie im allgemeinen für eine der schlechtesten. Es war eine ›Oberdeck‹-Herberge in der dritten Etage von oben, die in das Eis und nicht in den Felsen gehauen war. Arflane konnte seinen Freund nicht fragen, ob auf seinem Schiff noch eine Koje frei war. Brenn hatte andere Sorgen. »Wir entladen so rasch wie möglich«, sagte Brenn. »Viel
    leicht ist jemand da, der den Fang sofort haben will.« Er rief seinem Ersten Offizier etwas zu, einem großen, hageren Mann namens Olaf Bergsenn. »Übernehmen Sie das Kommando, Olaf. Ich gehe zur Shipsmasher-Herberge. Kommen Sie mit den Leuten dorthin, wenn Sie fertig sind. Sie wissen, wer die Wache übernimmt.«
    Bergsenns kummervolles Gesicht veränderte nicht den Aus
    druck, als er einmal kurz nickte und dann über das tranige Deck ging, um die Entladearbeiten zu beaufsichtigen.
    Der Torposten der Stadt ließ sie passieren. Sie stiegen die Rampe hinunter. Arflane fragte seinen Freund, ob er ihn bis zur Herberge begleiten solle.
    »Lassen Sie mich mit Flatch reden. Dann werden wir Bier trinken. Ich erzähle Ihnen meine Sorgen und höre mir Ihre Sorgen an.«
    In der dritten Etage gab es drei Walfänger-Herbergen. An den ersten beiden – King Herdarda und Killer Pers – gingen sie vorbei. Dann öffneten sie die altersschwache Tür der Shipsmasher-Herberge und betraten den Hauptraum.
    Es war ein düsteres, großes, hohes Gewölbe. Die Wände wa
    ren mit grobgegerbten Walhäuten behangen. Die Beleuchtung war mangelhaft. Es roch nach Bier, Walfleisch und menschlichen Ausdünstungen. Bilder von Walen, Walfängern und Walfangschiffen hingen an den Häuten, desgleichen Harpunen, Lanzen und breitklingige Entermesser von der Art, wie Arflane eines trug. Einige der Harpunen waren seltsam verbogen und berichteten auf diese Weise vom Todeskampf starker Wale. Keines dieser Walfangwerkzeuge war gekreuzt, denn das bedeutete angeblich Unglück.
    Alle Tische waren besetzt. Die Gäste tranken Bier, das aus einer der vielen Pflanzenarten gebraut wurde, die in den warmen Teichen vorkamen. Dieses Bier hatte einen außerordentlich bitteren Geschmack, und nur die Walfängerleute pflegten es zu trinken.
    Arflane und Brenn gingen an den Tischen vorbei auf eine kleine Theke zu. Dahinter war eine Nische, aus der eine Gestalt auftauchte. Es war Flatch, der Besitzer der ShipsmasherHerberge, der vor Jahren noch auf Walfängern gefahren war und sich dann selbständig gemacht hatte. Er war größer als Arflane, doch am ganzen Körper geradezu unwahrscheinlich dick. Er hatte nur ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein; es waren Verletzungen, die er sich beim Harpunieren eines riesigen Wals zugezogen hatte. Danach war er arbeitsunfähig geworden und kaufte sich mit seinen Anteilen diese Herberge. Seine Arm- und Beinprothesen stammten von den Knochen des Wals, und die Augenklappe war aus einem dreieckigen Stück Walhaut.
    Flatchs Auge blinzelte durch das Fettpolster, als er grüßend seinen Walknochenarm hob.
    »Kapitän Arflane … Kapitän Brenn.« Seine Stimme hatte einen quäkenden unangenehmen Klang, war aber kaum zu hören. Sie schien sich nur mit Mühe einen Weg durch den fetten Hals bahnen zu können. Er hatte nicht nur ein Doppelkinn,
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