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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer
Autoren: David Gilman
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    Z um Sterben war dieser Tag viel zu schön.
    Max Gordon sah zu den Bergspitzen hinauf, die in den kristallklaren Himmel ragten. Im Tal gegenüber wallten Nebelschwaden an den Hängen empor und verschwanden über den Gipfeln. Schnee wirbelte von den Felsen wie weiße Schmetterlinge von einer Wiese. Aber dies war keine sanfte englische Sommerlandschaft. Max befand sich in eisigen zweitausend Metern Höhe, das Wetter war unberechenbar, und niemand wusste, dass er und Sayid Khalif, sein bester Freund, hier oben waren.
    Ein Schneebrett, groß wie ein Fußballfeld, hing bedrohlich an der Felswand hundert Meter über ihm. Ein kräftiger Windstoß, ein einziges Zucken der überladenen Bäume und er und sein verletzter Freund würden von tausend Tonnen Schnee zerschmettert werden.
    Fünfzig Meter entfernt lag Sayid und krümmte sich vor Schmerzen und Angst. Max musste ihn unbedingt erreichen und von dem Hang weg in Sicherheit bringen. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Eine Ladung locker gepappten Schnees krachte herunter und rumpelte hinter Sayid zu Tal.
    »Nicht bewegen!«, schrie Max und streckte dem Jungen warnend einen Arm entgegen, während er sich ihm vorsichtig näherte. Vor jedem Schritt stocherte er mit seinem Snowboard prüfend in den Schnee.
    Sein Atem dampfte, als er keuchend vor Anstrengung neben Sayid auf die Knie sank. Mit den Zähnen zog er einen Skihandschuh aus und tastete behutsam das Bein seines Freundes ab.
    Sayid schrie auf. Er kniff vor Schmerz die Augen zu.
    »Entschuldige«, sagte Max und warf einen besorgten Blick nach oben zu der losen Schneefläche, die jederzeit auf sie niederstürzen konnte.
    »Das Bein ist gebrochen«, flüsterte Sayid.
    »Nein, ist es nicht. Wahrscheinlich bist du nur mit dem Fuß umgeknickt.«
    »Meinst du?«
    »Ja«, log Max. »Geschieht dir recht, wenn du dich von der Piste entfernst. Wir wollten doch auf sicheren Hängen bleiben.« Er half Sayid, sich aufzusetzen, richtete das krumme Bein und wischte ihm den Schnee aus dem Gesicht.
    Eine blöde Idee: Sayid auf Skiern gegen Max auf dem Snowboard – wer zuerst unten ankommt! Aber Sayid war etwas weiter oben vom Kurs abgewichen und in diese gefährliche Spalte geraten. Ein trügerisches Schneefeld, das eine schnelle Abfahrt zu verheißen schien. Max hatte ihn gewarnt, aber vergeblich. Als Sayid an den vom Schnee bedeckten umgestürzten Baumstamm geprallt war, war er noch zehn Meter weiter gestürzt. Immerhin hatte er sich nicht das Genick gebrochen.
    Max nahm sich den zerbrochenen Ski vor. Er zog die Zugschnur aus Sayids Skijacke und band eins der Bruchstücke mit dem heilen Ski zu einem Kreuz zusammen.
    »Willst du damit mein Bein schienen?«, fragte Sayid.
    Max schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig, Dummkopf. Das brauchst du, um hier rauszukommen.«
    »Machst du Witze? Ich habe wahnsinnige Schmerzen. Ich brauche einen Hubschrauber.«
    Max machte den letzten Knoten. »Du brauchst bald gar nichts mehr, wenn das Zeug von da oben runterkommt«, sagte er und zeigte auf das Schneefeld.
    Ein unheilvolles Knirschen unterstrich seine Warnung und dann ging weiter hinten am Hang eine Lawine ab. Sie rauschte mit lautem Krachen und beängstigender Wucht in die Tiefe.
    »Max! Was machen wir denn jetzt?«
    »Wir müssen hier weg, Sayid! Halt dich an dem Querholz fest.« Max legte Sayids Hände auf das abgebrochene Stück Ski, das als Lenkstange dienen sollte. »Setz dich auf den Ski, und dann gut festhalten und einfach nach unten fahren.«
    Sayid wühlte in seiner Tasche. »Warte. Einen Moment noch!« Er zog eine Kette mit kleinen schwarzen Perlen hervor, wickelte sie sich um die Faust, küsste sie und nickte Max nervös zu. »Okay. Los geht’s!«, sagte er.
    Sayids Lebenswille überwand den stechenden Schmerz in seinem Fuß, als Max ihn anschob. Wie ein Kind auf einem Dreirad, dem die Füße von den Pedalen gerutscht sind, sauste er durch den Schnee.
    Max hatte gerade seine Stiefel auf dem Snowboard eingeklinkt, als der Schnee oben in Bewegung geriet. Die ungeheure Masse kam in Zeitlupe auf ihn zu und in diesem Augenblick erkannte er, dass es vor etwas so Gewaltigem kein Entrinnen gab. Der Boden unter seinen Füßen erzitterte. Max beugte die Knie und jagte los, als zweihundert Meter rechts von ihm die stäubende Masse die Bäume niederwalzte. Dichte Schneewolken hüllten ihn ein und der von der Lawine ausgelöste Luftstrom schlug ihm in den Rücken. Er warf sich nach vorn und glitt mit engen Schwüngen, so schnell er konnte,
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