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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer
Autoren: David Gilman
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zahlenmäßig waren sie ihm überlegen. Sie konnten ihn mühelos überwältigen, zu Boden werfen und auf ihn eintreten, bis er sich ergab. Oder noch schlimmer.
    Max löste die Bindung seines Snowboards und half dem leicht gebauten Läufer auf die Beine. Zeit, zu gehen. Die schwarze Skimütze hatte der Läufer bei dem Gerangel verloren; lange kastanienbraune Haare fielen ihm ins Gesicht.
    Der Läufer war eine Läuferin.
     
    Die leeren Straßen verschwanden hinter den beschlagenen Scheiben des Cafés. Max und das Mädchen aßen Pizza und tranken heiße Schokolade. Ab und zu fuhr draußen knirschend ein Auto vorbei und einmal hörten sie ein Motorrad aufjaulen. Max horchte gespannt, aber es fuhr, ohne anzuhalten, vorbei. Das Mädchen fasste kurz seine Hand – eine Beruhigungsgeste. Max gefiel die Wärme der Berührung, trotzdem zog er seine Hand schnell zurück und aß weiter. Französinnen waren offener als die Mädchen, die er von zu Hause kannte, und schienen keine Scheu zu haben, ihre Gefühle zu zeigen. Max konzentrierte sich auf seine Pizza.
    Das Mädchen hieß Sophie Fauvre. Sie war schlank und zart gebaut und konnte ebenso gut vierzehn wie achtzehn Jahre alt sein. Bis vor zwei Jahren hatte sie in Paris gelebt, und Max hatte Recht gehabt, sie machte tatsächlich Parkour – ihr älterer Bruder Adrien hatte sie mit diesem städtischen Sport bekannt gemacht. Aber diese Jungen, die sie eingekesselt hatten – die hatte jemand mit Vorsatz losgeschickt, um sie zu verletzen oder gar zu töten.
    »Jemand hat diese Kerle geschickt? Ich meine, woher weißt du, dass das nicht bloß irgendwelche Rüpel waren, die sich austoben wollten?«
    »Rüpel?«, fragte sie stirnrunzelnd.
    »Äh …« Er suchte nach dem französischen Wort dafür. » Loubards .«
    »Nein, nein. Die werden dafür bezahlt, dass sie mich aufhalten sollen. Sicher, das sind noch Kinder, aber sie sind wie wilde Tiere. Die Männer mit dem Geld kaufen ihnen alles, was sie haben wollen, und dafür tun sie, was man ihnen sagt. Wenn mir heute Abend was passiert wäre, hätte die Polizei das einem bösen Zufall zugeschrieben.«
    »Und warum sollten diese Leute, die Straßenkinder mit teuren Motorrädern ausrüsten, dir unbedingt Schaden zufügen wollen?«
    Sie zögerte. Hatte sie ihm nicht schon genug erzählt? Er war ein gänzlich Unbeteiligter, der sich in Gefahr begeben hatte, um ihr zu helfen.
    »Habe ich Essen im Gesicht?«, fragte Max.
    »Was?«
    »Weil du mich so anstarrst.«
    »Entschuldige. Ich habe nachgedacht. Pass auf, du kannst das nicht verstehen. Mein Bruder ist verschwunden. Er hat uns noch aus Oloron-Sainte-Marie angerufen, das ist ein Dorf wenige Kilometer weiter unten im Tal. Und dann war er plötzlich weg. Ich dachte, ich könnte ihn finden. Einige Leute, mit denen ich gesprochen habe, erinnern sich an ihn, aber niemand weiß, wo er steckt. Und jetzt muss ich nach Hause zurück. Vielleicht gibt es da inzwischen Neuigkeiten.«
    »Nach Paris?«
    »Nein. Nach Marokko.«
    »Ah. Habe ich das mit Marokko irgendwie nicht ganz mitbekommen?«
    Sie lachte. Er gefiel ihr. Das war nicht so günstig. Das würde ihr nicht gerade helfen, ihre Aufgabe zu beenden. Er hatte so eine Art, sich übers Haar zu streichen und dann mit schüchternem Lächeln den Blick abzuwenden. Und hübsche Augen. Blauoder blaugrau, das konnte sie bei dem Dämmerlicht im Café nicht erkennen.
    »Jetzt starrst du mich an«, sagte sie.
    Verlegen riss Max sich zusammen und legte einen Finger an seine Lippen.
    »Du hast Käse zwischen den Zähnen.«
    Und kaum hatte er das gesagt, hätte er vor Scham im Boden versinken mögen.
     
    Er begleitete sie durch die gewundenen Straßen zu ihrem Hotel zurück. Sie hielten sich immer in der Mitte, wo es am hellsten war, und fern von den dunklen Nebengassen. Die kalte Nachtluft drang jetzt sogar durch seine dick gefütterte Jacke.
    Die Kälte tat weh, aber er achtete nicht darauf, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf irgendwelche verdächtigen Bewegungen in den Schatten. Die Angst hielt den Kreislauf in Schwung und wärmte besser als jede Jacke.
    Sophie erzählte ihm, ihr Vater habe früher den Cirque de Paris geleitet, sich aber mit der Zeit immer intensiver für den Tierschutz engagiert. Als ihre marokkanische Mutter vor ein paar Jahren erkrankte, war die Familie in ihre Heimat zurückgekehrt und nach ihrem Tod hatte ihr Vater dort eine Organisation zum Schutz gefährdeter Arten gegründet. Wie andere Tierschützer, die gegen den
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