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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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wiederholte Mannhardt.
    »Aber dort unten liegt niemand!« Heike stöhnte gequält.
    »Bei Fontane allerdings liegt dort unten einer!«, rief Mannhardt mit dem Eifer eines Sektierers.
    »Gott, hör mir endlich mit deinem Fontane auf!«
    »Lass ihm eben seinen Willen«, sagte Orlando in Richtung Heike.
    »Ich bin kein Kind mehr, dem man seinen Willen lassen muss, damit es nicht mehr schreit«, ärgerte sich Mannhardt. »Das ist eine ganz logische Sache. Solange Wiederschein in Bremen hockt, haben wir keinen Einfluss auf ihn, nur hier in Berlin können wir ihn kleinkriegen.«
    »Aber wie willst du ihn nach Berlin locken?«, fragte Orlando.
    Mannhardt hatte ein wenig Angst vor Heike und zögerte mit einer Antwort. »Ich habe da eine Idee …«
    »Wir veranstalten in der verfallenen Villa eine Kellerparty!«, höhnte Heike.
    »Genau!« Mannhardt gab sich kämpferisch. Nun gerade! »Er hat doch da einen Roman geschrieben, einen Roman mit stark autobiografischen Zügen …«
    »Ja«, lachte Orlando. »›Der Urug‹. Ein deutscher Manager dreht einen indischen Guru so um, dass der vom Ganges an die Spree wechselt und hier total verdeutscht.«
    »Einen Verlag dafür hat er bisher nicht gefunden«, hakte Mannhardt ein. »Aber wenn jetzt ein Filmproduzent kommt und sagt: ›Ich würde den Stoff gerne machen, zeigen Sie mir doch mal einen geeigneten Drehort. Ich habe gehört, Sie hatten eine Villa in Frohnau, die inzwischen nur noch mehr oder minder eine Ruine ist …‹ Wenn der Inder nun nach Berlin kommt und diese Villa erst einmal instand setzt und als seine Residenz ausbaut …«
    »Das ist doch Hollywood!«, rief Orlando.
    Mannhardt lachte. »Ohne einen Schuss Hollywood geht heutzutage überhaupt nichts mehr.«
    »Und ohne Schneeganß ebenso wenig«, sagte Orlando. »Wenn schon, sollte das Ganze offiziell laufen, sonst möchte ich nachher nicht der Anwalt sein, der dich vertritt.«
    Mannhardt nickte. »Meinetwegen auch mit Schneeganß, ich will mir nicht die Finger verbrennen. Schließlich bin ich Karsten Klütz gegenüber zu nichts verpflichtet.«
    »Und wo willst du einen Filmproduzenten hernehmen, der da mitspielt?«, fragte Heike.
    »Du hast doch neulich erst eine Reportage über einen verfasst … Ich komme nicht mehr auf den Namen …?«
    »Das war der Hannes Hahn …«
    »Ja, den sie gerade zum Honorarprofessor an der Filmhochschule gemacht haben.« Auch Orlando hatte von ihm gehört. »Der Zigarrenraucher … ›Prager Schinken‹ ist ein toller Film, vom Aufstand 68, da kriegt er vielleicht einen Oscar für.«
    »Der wird sich auf das Spielchen mit Wiederschein nicht einlassen«, sagte Heike.
    Mannhardt sah das anders. »Warum denn nicht? ›Der Urug‹ ist kein schlechter Stoff, und wenn Wiederschein damals wirklich seinen Onkel umgebracht hat, dann gibt das so viel Promotion, dass das Ding ganz von allein läuft. Der Abel Hradschek hat sich selbst eingesperrt – und dadurch ist bei Fontane der Fall gelöst worden, bei uns aber wird der Wiederschein eingesperrt – und schmort da unten im Keller so lange, bis er ein Geständnis abgelegt hat.«
    »Ohne mich!«, rief Heike.
    »Du sollst ja auch nicht mit in die Villa kommen, du sollst nur den Professor Hahn überreden, dass er Wiederschein nach Berlin holt.«
    »Da kannst du lange warten!«
    »Wer lange wartet, zu dem kommt alles.«

     
    *

     
    »Be Berlin«, sagte Orlando Drewisch in Anspielung auf die neue Werbekampagne des Senats. »Be bescheuert.« Damit meinte er sich und seinen Großvater, wie sie da vor der verfallenen Villa des ›à la world-carte‹ standen und warteten. Auf den Filmproduzenten, auf Wiederschein, auf Schneeganß. Die kamen nicht, dafür tauchte Carola Laubach auf. Sie hatte sie hinter ihrem Erkerfenster erspäht.
    »Haben Sie noch nicht genug Schaden angerichtet?«, fauchte sie.
    »Wieso Schaden angerichtet?«, fragte Mannhardt.
    »Na, wieder blickt ganz Berlin auf uns und wartet, dass ein neuer Mord geschieht.«
    Orlando grinste. »Erhoffen Sie sich in dieser Hinsicht etwas für Ihre Person?«
    »Wie?« Carola Laubach hörte nicht nur schwer, sie hatte auch Schwierigkeiten, hinter den Sinn des Gesagten zu kommen.
    Orlando wurde direkter. »Wer will Sie denn ermorden?«
    »Damit spaßt man nicht, junger Mann!«
    »Die Kriminalkomödie und überhaupt das ganze Genre ist ein verzweifelter Versuch der Menschheit, mit dem Schrecken fertig zu werden«, erklärte ihr Mannhardt.
    »Sie müssen mich nicht belehren!«, sagte Carola Laubach
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