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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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Herren.«
    »Vascheißan kann ick ma alleene«, brummte Mannhardt.
    Orlando scheiterte beim ersten Versuch, die Falltür, eine schwere Platte aus geriffeltem Stahl, mit den bloßen Fingern anzuheben, und auch als Schneeganß ihm zur Hilfe kam, gelang dies nicht.
    »Wir brauchen eine Brechstange«, sagte Mannhardt. »Oder wenigstens einen Kuhfuß oder Schraubenzieher.«
    Professor Hahn bückte sich. »Da vorn kommt man doch mit dem Finger runter. Da muss schon einer …«
    Nun hatte auch Orlando die kleine Vertiefung entdeckt, schob Mittel- und Zeigefinger seiner rechten Hand unter die Falltür und hob sie so weit an, dass Schneeganß seine Fußspitze darunterschieben konnte.
    Süßlicher Verwesungsgeruch schlug ihnen entgegen, so stark, dass sie die Tür fast hätten fallen lassen.
    »Das kann nur von einer Leiche kommen«, sagte Mannhardt.
    Und richtig, als sie wenig später die schwere Falltür mit vereinten Kräften angehoben hatten, erfasste der Lichtkegel ihrer Taschenlampen den Kopf einer Frau.
    »Das ist doch …« Schneeganß drehte sich um. »Herr Wiederschein, kommen Sie mal, das ist doch Ihre Frau.« Er schwenkte seine Taschenlampe wie einen Suchscheinwerfer. »Wo ist er denn geblieben?«
    Wiederschein war schon die Treppe hinaufgestürmt und konnte entkommen, da es ihm gelang, Schneeganß und die anderen im Keller einzuschließen.

     

12.
    Sosehr ich mich auch dagegen sträubte – mein Verleger drängte gebieterisch darauf, mich mit dem Neuruppiner Denkmals-Fontane ablichten zu lassen, um mit diesem Hochglanzfoto das Hinterteil unseres Buches angemessen zu schmücken. Fluchend fügte ich mich diesem Wunsche. Nicht nur wegen des zeitaufwendigen Ausflugs hinauf zum Rhin, sondern vor allem wegen der zu erwartenden negativen Sanktionen des Dichters hoch oben auf seinem Sockel. Und die kamen denn auch. Kaum hatte mich der mitgereiste Profi-Fotograf (…) in die gewünschte Positur gerückt, hörte ich Fontane auch schon schimpfen.
    »Sie wagen es erneut, mir unter die Augen zu treten? Haben Ihnen meine Warnschüsse vom Mai noch nicht gereicht?«
    Ich schielte auf seinen Stock, ob der sich nicht wieder in ein Gewehr verwandelte. »Sie kennen den Inhalt meines Manuskripts?«
    »Das ist es ja: Hundert Nadelstiche regen mehr auf als ein Kolbenstoß. Kann Sie denn nichts mehr daran hindern, dieses Machwerk auch noch drucken zu lassen? (…) Dies alles diskriminiert mich doch letztendlich über alle Maßen!«
    »Nein und abermals nein!«, rief ich da. »Sie als eigentlichen Vater des deutschen Krimis zu feiern war doch meine Absicht, nichts anderes. Und Sie wissen doch, wie das bei solchen Sachen ist: Ohne ein gewisses Quantum von ›Mumpitz‹ geht es nicht. « Wieder setzte ich darauf, ihn milde zu stimmen, indem ich seine eigenen Worte in meine Rede einflocht.
    Aber Fontane ließ sich diesmal nicht so leicht besänftigen.
    (Horst Bosetzky, ›Mord und Totschlag bei Fontane‹)

     

     
    Das Gutachten der Gerichtsmediziner ließ keinerlei Zweifel daran, dass Angela Wiederschein Selbstmord begangen hatte. Eine Unmenge an Tabletten hatte sie geschluckt und sich zudem die Pulsadern aufgeschnitten. Auch ihr Abschiedsbrief hätte nicht klarer sein können …

     
    ›Hiermit gestehe ich, an der Ermordung von Siegfried Schulz beteiligt gewesen zu sein. Mein Mann, Rainer Wiederschein, hat ihn mit einem Sofakissen erstickt und später unter der Garage des Nachbargrundstücks vergraben, während ich in seinen Sachen in den Porsche gestiegen und weggefahren bin. Es hat mich von Anfang an bedrückt, dass ich so viel Schuld auf mich geladen habe. Das betrifft nicht nur Schulz, sondern auch den armen Klütz, der so lange unschuldig im Gefängnis gesessen hat. Mit dieser Schuld konnte ich nicht leben, aber mir fehlte auch die Kraft, reinen Tisch zu machen und Rainer und mich anzuzeigen. So bin ich nach Indien geflüchtet, habe aber auch dort meinen inneren Frieden nicht gefunden. Es gibt keine Erlösung für mich. Ich bitte alle diejenigen, denen ich Schaden zugefügt habe, um Vergebung. Es gibt keinen anderen Weg für mich. Der HERR vergebe mir! Angela W.‹

     
    Orlando hatte ›Unterm Birnbaum‹ aufgeschlagen, um nach Parallelen bei Fontane zu suchen. »Bei ihm geht die Ursel Hradschek ja auch an ihrer schweren Schuld zugrunde und stirbt an Auszehrung und Nervenschwindsucht. Ein Selbstmord wäre aber auch da konsequenter gewesen.«
    »Ich bin kein Dichter«, sagte Mannhardt. »Und Besinnungsaufsätze habe ich immer
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