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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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mit einiger Schärfe.
    Mannhardt grinste. »Ich weiß, Sie waren selber einmal Lehrerin.«
    »Selbst, nicht selber. Das ist Umgangssprache.«
    »Aber wenn man miteinander umgeht, kann man doch auch die Umgangssprache gebrauchen«, wandte Orlando Drewisch ein.
    »Es kommt immer auf den Adressaten an, junger Mann!«, belehrte sie ihn, um sich wieder in ihren Garten zu begeben. »Auf Wiedersehen.«
    »Die Mordkommission kümmert sich gern um Sie!«, rief ihr Orlando hinterher.
    »Sei doch nicht so gemein«, sagte Mannhardt.
    »Da ist sie doch schon.« Orlando wies auf Schneeganß, der gerade in einem BMW angerollt kam.
    Als er ausgestiegen war, begrüßte man sich mit professioneller Freundlichkeit, ohne Herzlichkeit zu heucheln.
    »Klütz kommt nicht?«, fragte Schneeganß und gab damit zu verstehen, dass er die ganze Aktion für einen ausgemachten Schmarren hielt.
    Mannhardt blieb gelassen. »Nein, das hättest du in die Wege leiten müssen, nicht wir. Aber bei ihm ist doch eh alles klar.«
    Schneeganß verneinte das. »Bei ihm ist nur dann alles klar, wenn Wiederschein die Tat gesteht, vorher nicht. Ah, da ist er ja.«
    Gerade rollte Professor Hahn vorbei, und neben sich hatte er Rainer Wiederschein sitzen. Sie hatten schnell einen Parkplatz gefunden und stießen zu Schneeganß, Mannhardt und Orlando.
    »Sie auch hier?« Wiederschein schien überrascht.
    »Sie wissen ja, dass Klütz …« Schneeganß brauchte den Satz nicht zu vollenden, um verstanden zu werden. »Und da ich den Fall damals federführend bearbeitet habe, bin ich jetzt ausgeguckt worden, die Sache zu verfolgen, falls der Mord an Schulz neu verhandelt werden sollte.«
    Wiederschein lachte. »Ich habe inzwischen auch ›Unterm Birnbaum‹ gelesen, und nun erwarten alle von mir, dass ich in den Keller meines früheren Hauses gehen werde, um da die Leiche meines Onkels auszubuddeln. Vielleicht war es ja damals unter der Garage drüben nur sein Doppelgänger.«
    Mannhardt ließ alle Hoffnung fahren, Wiederschein ins Bockshorn jagen zu können. Der erlitt bestimmt keinen Schwächeanfall, wenn die Falltür zu seinem Keller über ihm zugeschlagen wurde, und schrie: ›Holt mich hier raus, ich will alles gestehen!‹ Heike hatte recht gehabt, ihr Plan war nicht etwa genial, sondern nur kindisch. Gott sei Dank sorgte Professor Hahn dafür, dass die Szene erträglich blieb, indem er die ›location‹ kritisch unter die Lupe nahm.
    »Herr Wiederschein, prima, diese alte Villa. Als Ihr Manager nach Indien geht, um dort erleuchtet zu werden, ist sie ein Prunkstück, während er zwischen Bombay und Delhi durch die Lande zieht, verfällt sie – und dann kommt der umgedrehte Guru, der Urug, zurück, um sie wieder herzurichten und zu seiner Residenz zu machen, während der Berliner Manager in Indien in den Müllbergen etwas zu essen sucht.«
    »Der Reganam«, sagte Orlando.
    »Wer?«, fragte Wiederschein.
    »Na, der umgedrehte Manager.«
    Dieserart war die Stimmung ziemlich entspannt, als Schneeganß die Schlüssel hervorzog, die er sich bei der Immobilienfirma besorgt hatte, um die Türen zur Villa aufzuschließen.
    »Ich hätte sie ja gerne alle vier zu Austern und Kaviar eingeladen«, sagte Wiederschein. »Aber leider ist meine Küche nicht mehr auf einen solchen Ansturm eingerichtet.«
    »Es riecht auch etwas unappetitlich«, sagte Professor Hahn, als Schneeganß die Eingangstür aufgeschlossen hatte und sie in den Flur getreten waren.
    Mannhardt und Schneeganß hatten daran gedacht, dass ja die Stromleitungen von Vattenfall längst gekappt worden waren, und sich mit Taschenlampen versehen. Die wurden nun eingeschaltet, und in ihrem Schein bewegte sich der kleine Trupp in Richtung Keller.
    Als sie dort angekommen waren und vor einer Falltür standen, erklärte Wiederschein ihnen, dass es unter dem eigentlichen Keller noch einen geheimen Keller gebe.
    »Diese Falltür hier ist das große Geheimnis des Hauses. Die Vorbesitzer haben, als es mit dem Nazireich zu Ende ging, die Hausplatte durchstoßen und unter dem Keller einen Schutzraum anlegen lassen, um sich und ihre Wertsachen vor den anrückenden Russen in Sicherheit zu bringen. Ich habe dieses Gewölbe für meine sündhaft teueren Weine genutzt, aber auch einen kleinen Tresor hinunterschaffen lassen.« Er machte eine kleine Pause, um die Wirkung seiner nachfolgenden Worte zu erhöhen. »Fontane zufolge muss hier der Szulski vergraben sein beziehungsweise der Schulz … Viel Spaß beim Suchen, meine
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