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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Lauras Party
    Lauras Haus strahlte die morbide Würde einer ausrangierten Hollywood-Diva aus. Es lag im Westen der Stadt, in einer Gegend, die schon bessere Zeiten erlebt hatte. Die Fassade war abgenutzt, der Vorgartenzaun verlangte nach einem neuen Anstrich, und die Klingel an der Eisentür funktionierte schon seit Jahren nicht mehr.
    Es war die Zeit zwischen Abend und Nacht. Ich beobachtete das Licht, das durch die hohen Fenster in Lauras Wohnzimmer fiel. Eben noch war die Stimmung rosa, jetzt legte sich unmerklich ein Grauschleier auf Möbel und Gäste.
    In dem großen verwinkelten Raum mit den blank gebohnerten Holzdielen waren die Kerzen weit heruntergebrannt; ihr weißes Wachs lief – Tränen gleich – die silbernen Leuchter herab. Auf den Tischen und den Fensterbänken leere Weingläser und halb abgegessene Teller, die achtlos weggestellt worden waren. Hier ein Rest Kartoffelsalat, da ein Klecks Senf, in dessen Mitte eine halb gerauchte Zigarette ausgedrückt worden war. In den Ecken des verschachtelten Raumes unterhielten sich die Gäste leise. Ich lauschte. Ich konnte keine Einzelheiten verstehen, doch die da drüben stritten sich. Ihre Stimmen hatten eine aggressive leise Schärfe.
    Die Körperhaltung des Mannes war verkrampft. Die Frau, die die Vorwürfe einstecken musste, wandte sich betont desinteressiert ab und schaute sich um, ob irgendein Gast dem Dialog zuhören würde. Der Blick der Frau und mein Blick trafen sich. Sie zuckte die Schultern – eine Geste der Entschuldigung. Ich lächelte, wandte mich ab und blickte in eine andere Richtung.
    Der Mann im Erker versuchte, erste Kontakte zu einer Frau zu knüpfen, die er wohl heute Abend kennengelernt hatte. Seine Haltung strahlte Wachheit und Gespanntheit aus. Er legte der Frau die Hand auf den Oberarm, so als wolle er sie beschützen oder an sich ziehen.
    Sie ließ es geschehen und lehnte lässig am Fensterkreuz, strich sich ab und zu durch das lange Haar, ließ es sachte auf die Schultern zurückfallen. Sie beobachtete ihn dabei, wie er sie verzückt anstarrte. Sie genoss es, und beim Lachen warf sie den Kopf in den Nacken. Eine anmutige Geste in einem uralten Spiel, dachte ich. Reden, küssen, streicheln, ins Bett gehen, schweigen und sich wieder verlassen.
    Ich wechselte die Blickrichtung und gähnte. Vor Müdigkeit oder vor Hunger. Ich hatte mich an diesem Abend tapfer gehalten. Stundenlang war ich an den vollen Schüsseln mit köstlichem Kartoffelsalat, den dekorativ arrangierten Canapés, den aufgetürmten fetten Aal-Häppchen und vor allen Dingen an der Riesenschüssel Rote Grütze vorbeigeschlichen. Doch mehr als ein verächtliches Lächeln hatte ich für die versammelten Leckereien nicht übrig. Lediglich drei oder vier knackigen Radieschen hatte ich den Weg in meinen genervten Magen gestattet. Beim Gedanken an die acht Tage Rohkost-Diät, die noch vor mir lagen, drehte sich mir derselbe um. Der Geschmack von Radieschen und trockenem Weißburgunder vermischte sich auf meiner Zunge zu einer scheußlichen Verbindung.
    Ich dachte an die letzten drei Monate zurück. Mein Urlaub in Brasilien, die ausgefuchsten Kochkünste meines hinreißenden Gastgebers und seines nicht minder begabten Personals hatten mich zum erneuten Studium meiner zahlreichen Diät-, Schönheits-, Schlankheits-, Vollwert- und Fitnessbücher veranlasst.
    Ich blickte mich um. Laura schien nicht mehr da zu sein. Zumindest nicht in diesem Raum des Hauses. »Ich muss dich sprechen, Maria«, hatte sie vor knapp einer Stunde zu mir gesagt, »es ist wichtig.« Und nun war sie weg. Spurlos verschwunden. Ich musste sie finden, denn ich war neugierig.
    Das Pärchen im Erker schmuste inzwischen. Das Weibchen hat das Männchen akzeptiert, dachte ich, bald würde die Begattung folgen. Ich lächelte. Paarungsrituale! Wenigstens der Fortpflanzungstrieb verband den Menschen noch mit der Natur. Genauso wie der Fresstrieb. Ich beobachtete finster eine dünne Frau, die sich über die Rote Grütze hermachte. Sie nahm tatsächlich drei große Löffel und klatschte sie in ihre Glasschüssel. Dann noch eine Kelle Vanillesoße obendrauf. Gierig leckte sie sich die Lippen. Plötzlich hasste ich sie und schämte mich.
    Wo konnte Laura sein? Ich verließ das Zimmer, um sie zu suchen. Der Alkohol verbreitete eine wohlige Wärme in meinem Körper. Ein Typ torkelte mir entgegen. Er grölte ein Loblied von leichten Mädchen und schweren Getränken. Ich stieß ihn beiseite, als er sich an mir festhalten
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