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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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indischer Seide. »Können Sie ihr das geben? Sie hat es vorgestern hier vergessen.«
    Wortlos nahm ich das Tuch und starrte es an. Ich roch daran und zog den pudrigen Duft von Lauras Parfum in mich hinein. Dann hob ich die Hand über die Augen, um die Tränen zu verbergen, die mir die Wangen herunterliefen. Was war nur geschehen in der vergangenen Nacht und … warum?

Der Stoff, aus dem die Blätter sind
    »Ein Mord! Wir haben einen Mord! Und das im Sommerloch!«, jubelte der Kollege Chef vom Dienst Peter Jansen, als ich das Großraumbüro betrat. Solche »Witze« hatte ich auch oft gemacht bei schweren Unfällen, Großbränden oder anderen Unglücken. Unfälle auf der Autobahn waren nur interessant, wenn es mindestens vier Tote und viel Blut gab. Morde bekamen den »Kick« erst dadurch, dass Sex im Spiel war. Großbrände waren erst dann schön, wenn eine Familie kurz davor war, abgefackelt zu werden. Sehr beliebt war der »kleine Hund«, der von der Feuerwehr in einer dramatischen Rettungsaktion den Flammen entrissen wurde. Krawalle, Verbrechen, Tiergeschichten, Unglücksfälle und Katastrophen – das ist der Stoff, aus dem unsere Blätter zusammengeflickt werden.
    Bei uns, dem Bierstädter Tageblatt, war es noch nicht ganz so schlimm. Da stand die Kommunalpolitik noch auf der Seite Eins. Die kleinen Skandälchen der lokalen Größen verdrängten jedoch auch im »Tageblatt« immer häufiger Berichte über politische Entscheidungen in Bierstadt auf die mittleren Seiten. Der Mord an einer jungen Frau gehörte selbstverständlich auf die erste Lokalseite als Aufmacher. Doch wie brutal über den Mord an Laura gesprochen wurde! Es lief mir kalt den Rücken hinunter.
    Wir Journalisten sind doch Zyniker, dachte ich, uns ist nichts heilig, wir fühlen und leiden nur solange mit, bis die Story im Kasten oder im Blatt ist. Ich unterschied mich da überhaupt nicht von meinen Kollegen. Manchmal war ich sogar noch schlimmer als sie. Erfolg hieß für mich, gute Geschichten zu haben, die sonst niemand hatte. Und das nicht nur einmal im Leben, sondern möglichst jede Woche.
    Es war schön, Dinge zu bewegen, eingefahrene Gleise zu verlassen, aus Leuten jede mögliche Information herauszuholen, um sie professionell zu verarbeiten. Doch mein Interesse an Menschen war oft nur geheuchelt, das Mitleid vorgetäuscht und die Versprechungen rasch wieder vergessen.
    Informationen flossen ins Gehirn, wurden wie in einem Durchlauferhitzer auf die richtige Temperatur gebracht, verarbeitet und vermarktet … und so schnell wie möglich wieder vergessen. Da gab es keine Zeit für längeres Nachdenken.
    »Wo steckt denn wieder der Polizeireporter?«, brüllte Jansen. Wenn etwas nicht so lief, wie er es sich vorstellte, wurde er gleich laut. Meine Nerven vibrierten. Erst diese schreckliche Nacht und nun der Stress in der Redaktion! Mein Magen meldete sich. Das üppige Frühstück vertrug sich nicht mit den Überbleibseln meiner geplatzten Rohkostdiät.
    Jansens Laune wurde immer schlechter. Ich kannte ihn schon einige Jahre, doch erst seit Kurzem arbeiteten wir zusammen. Er war das, was im Journalismus »Macher« genannt wird, reagierte schnell und sicher, erkannte heiße Storys ohne Thermometer.
    Wie die meisten männlichen Journalisten ab 45 träumte er davon, einen Bestseller zu schreiben und mit dem Wohnmobil oder dem Segelboot die Welt zu umrunden. Für den Urlaub plante er entweder ein Überlebenstraining in den Rocky Mountains, eine Drachenfliegertour in den Schweizer Alpen oder einen Taucherkurs am australischen Barriereriff.
    Doch Bluthochdruck, ein schwacher Magen, seine Frau und die drei kleinen Jungs sorgten dafür, dass die Träume Träume blieben. Zehn Bier und fünf Schnäpse genügten gewöhnlich, um Jansen den tiefen Schmerz über die verpassten Gelegenheiten vergessen zu lassen.
    »Ich habe gefragt, wo der Polizeireporter ist, verdammt noch mal!«, brüllte er wieder.
    »Der baggert die Telefonistin im Polizeipräsidium an …«, schrie der Volontär aus der rechten Ecke.
    »Grappa, kannst du dich darum kümmern?« Jansen steuerte auf mich zu, die ich immer noch in der Tür stand. »Tolle Geschichte. Junge Frau, nach einer Fete vergewaltigt und umgebracht. Heute früh ist sie von ihren Gästen gefunden worden. Die Bullen sind noch da … wo hab ich denn die Adresse?«
    Die Kollegen hatten mal wieder den Polizeifunk abgehört.
    Hans Meister, der Polizeireporter, stürmte in den Raum. »Mord! Und was für ein schnuckeliger!«,
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