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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Morgen
    Die Stimmen, die mich weckten, waren außer sich. Hände griffen und schüttelten mich; ich schreckte hoch. Irgendetwas Furchtbares hatte sich zugetragen, ich spürte es, obwohl ich kaum bei Sinnen war. Im Halbschlaf öffnete ich die Augen. Ich sah Walter, der mich schüttelte.
    »Wach auf, um Gottes willen«, jammerte er. »Laura! Es ist etwas mit Laura!«
    Nein! Ich rappelte mich hoch. Setzte mich auf und fragte entgeistert: »Wo ist sie?«
    »Sie ist in ihrem Zimmer … aber sie ist tot!«
    Ich verstand noch immer nichts. Ich stand auf und hastete aus dem Zimmer. Mir war, als würde der Boden bei jedem meiner Schritte dröhnen. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer war geöffnet. Ich stürzte hinein.
    Laura lag auf ihrem Bett. Sie war nackt. Ihre Arme waren über dem Kopf an das Bettgestell gefesselt, mit einer Gardinenkordel. Die Beine waren gespreizt. Blut war nicht zu sehen.
    Meine Nerven begannen wie eine Hochspannungsleitung zu summen. Das Stöhnen heute Nacht, es war kein Stöhnen der Lust, sondern des Todes. Ich hatte vor Lauras Tür gestanden und nichts gemerkt! Ich schaute in ihr Gesicht. Die Augen waren geschlossen. Das dicke blonde Haar umrahmte den Kopf wie ein Schleier. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt. Neben ihrem Kopf lag ein Kissen. Ihre Haut war wächsern. Ich sah alles und konnte dennoch nichts verstehen.
    »Sie ist tot!«, sagte Walter hinter mir. Ich drehte mich um. Er machte ein verzweifeltes Gesicht.
    »Hast du sie gefunden?«, fragte ich.
    Er nickte. »Ich hatte gerade das Frühstück fertig und wollte sie wecken«, erklärte er. Seine Stimme versagte.
    »Warst du heute Nacht bei ihr?«, wollte ich wissen.
    Er schüttelte den Kopf und war überrascht. »Aber nein«, stellte er klar, »ich habe in der Bibliothek geschlafen.«
    Ich glaubte ihm. Es war also tatsächlich der Mörder gewesen, den ich in der vergangenen Nacht belauscht hatte.
    »Wir müssen die Polizei holen«, sagte ich. Walter verließ das Zimmer.
    Die anderen gingen auch. Ich war mit Laura allein und nahm Abschied von ihr. Ich ging zum Bett und berührte sacht ihre Wange. Die Haut war kühl. Ich zuckte zurück und verließ das Zimmer.
    Im Wohnzimmer fiel die Sonne durch das Fenster. Der Morgen war so schön. Ich ging ins Bad und hielt meinen Kopf unter den Wasserhahn. In der Küche nahm ich einen Becher Kaffee. Mein Blick fiel auf den Clown von Prof. Dr. Christian Ellenbogen. Er beobachtete mich, guckte mich höhnisch an, weinte mit seiner lächerlichen, aufgemalten Träne. Ich packte ihn und schlug ihn gegen die Wand. Er zersprang in tausend Stücke.

Die Verwalter der Spuren
    Die Spurensucher der Bierstädter Kripo verwandelten Lauras Haus in einen Bienenkorb. Man kam, man ging, trug Dinge hinein und heraus. Da wurden Schränke geöffnet, Schubladen herausgezogen – so, als ginge es nur noch darum, zu dokumentieren und zu katalogisieren, einzuordnen, aufzulisten, zusammenzustellen. Ich schaute zu. Mir war kalt. In einem Nebenzimmer wurden die Vernehmungen durchgeführt. Jemand berührte meine Schulter. »Kommen Sie, der Hauptkommissar wartet auf Sie.« Ich folgte und nahm den angebotenen Sitzplatz an.
    Der Mann benahm sich, als sei er hier der Hausherr, dachte ich müde. Dabei war er nur der Verwalter der Spuren.
    Ich betrachtete ihn: mittelgroß, mittelblond, mittelalt. Graue Hose, graues Hemd, graue Haut und – wie gewagt! – mittelblaue Krawatte. Ein Mann, den man sieht und gleich wieder vergisst. Unauffällig und austauschbar. Vielleicht genau das Richtige für einen Polizisten.
    Er riss sich von seinem Schreibblock los und widmete mir die unbeteiligte Aufmerksamkeit seiner mittelgrauen Augen. »Ihr Name?«
    »Maria Grappa.«
    »Beruf?«
    »Journalistin.«
    Er notierte. »Wie lange und wie gut kannten Sie die Tote?«
    »Ich bin seit etwa drei Jahren mit ihr befreundet.«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    Ich erzählte es ihm und bemühte mich um Genauigkeit.
    »Hatte sie Feinde?«
    Ich schwieg. Nein, dachte ich, Feinde hatte Laura nicht, oder vielleicht doch? Sie verletzte manchmal, ohne es zu wollen. Sie war ehrlicher, als es manch einer ertragen konnte. Mit ihren knappen, präzisen Statements hatte sie schon viele Männer in die Wüste geschickt.
    Der Kommissar schien meine Gedanken zu erraten. »Gab es vielleicht einen abgewiesenen Verehrer?«
    »Ich kenne keine wirklichen Feinde von ihr: Sie war ein freundlicher Mensch, ging einem ordentlichen Beruf nach, wie Sie ja inzwischen wohl wissen, war
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