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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Autoren: Josef Wilfling
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machen. Wobei den Beamten auf fiel, dass die Tochter merkwürdig distanziert wirkte. Als ihr Vater sie in den Arm nehmen wollte, verhielt sie sich sehr zögerlich und befreite sich sogleich wieder aus seiner Umarmung. Es schien fast, als wollte sie ihren Schmerz nicht mit ihrem Vater teilen. Sie weinte auch nicht, sondern gab sich fast wie eine Fremde. Ahnte sie etwas? Oder wusste sie gar etwas, das sie uns verschwiegen hatte? Was übrigens ihr gutes Recht und auch verständlich wäre. Niemand ist in unserem Rechtssystem gezwungen, Angehörige zu belasten und diese dadurch der Strafverfolgung auszusetzen. Dabei kann es sehr schwer sein, eine Entscheidung zwischen Vater und Mutter treffen zu müssen.
    Dass die Vernehmung des Ehemanns sich sehr ausführlich gestaltete, hing damit zusammen, dass wir in solchen Fällen alles wissen wollen, und zwar über die Opfer genauso wie über alle anderen Beteiligten. Gute Mordermittler interessiert jede Kleinigkeit, denn selbst winzigste Hinweise können wichtig werden.
    Als Erstes ließen wir uns seinen Reisepass zeigen, wobei wir einen Kollegen hinzugebeten hatten, der als Spezialist in Sachen Dokumentenfälschung galt. Zudem besaß er umfassende Kenntnisse über die rechtlichen Aus- und Einreisebestimmungen der meis ten Länder dieser Erde.
    Christian V. legte einen deutschen Reisepass vor, acht Jahre zuvor in München ausgestellt, in dem sich zahlreiche Aus- und Einreisestempel der ugandi schen Behörden befanden. Was er jedoch nicht wuss te, war die Tatsache, dass wir uns gründlich vorbereitet und bereits in Erfahrung gebracht hatten, dass Christian V. vor gut einem Jahr seinen deutschen Reisepass als verloren gemeldet und daraufhin einen neuen erhalten hatte. Anscheinend hoffte er, wir würden das nicht herausfinden.
    Im Nachhinein betrachtet blieb ihm allerdings gar nichts anderes übrig, als uns den alten Reisepass vorzulegen. Nur in diesem befanden sich die entsprechenden ugandischen Ein- und Aus reisestem pel, und nur anhand dieser konnten seine Reiseaktivitäten nachvollzogen werden.
    Sein Alibi schien zu stehen, denn laut Visum war er letztmals Mitte September in Uganda eingereist und erst jetzt, am 9 . Dezember, wieder ausgereist. Natürlich hatten wir mithilfe der ugandischen Bot schaft überprüft, ob es möglich gewesen wäre, nach Deutschland auszureisen ohne Stempel im Pass. Zwar ließ es sich nicht gänzlich ausschließen, wäre allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Wiedereinreise aufgeflogen und hätte zu enormen Problemen geführt, möglicherweise gar zur Festnahme. Bestochene Beamte am Einreiseschalter schlossen die ugandischen Behörden schon deshalb aus, weil es keine festen Dienstpläne gab – zumindest keine, die zuverlässig eingehalten wurden. Die Fluktuation bei den Passkontrollen sei groß und völlig unberechenbar, erklärte man uns. Dass er nach illegaler Ausreise auch illegal wieder hätte einreisen können, würde voraussetzen, dass er an denselben bestochenen Beamten geraten wäre, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wurde.
    Was die Alibiangaben betraf, hatten wir natürlich bei allen Fluggesellschaften, die Entebbe anflogen, recherchiert, ob Christian V. einen entsprechenden Flug gebucht hatte. Doch er hatte in den letzten Monaten definitiv keinen Flug aus Uganda hi naus oder nach Uganda hinein gebucht. An seinem Alibi war also nicht zu rütteln.
    »Wo ist Ihr neuer Reisepass?«, fragte der Ver nehmungsbeamte unvermittelt, nachdem ihm Chris tian V. das alte, angeblich verloren gegangene Dokument vorgelegt hatte.
    Der Mann, der ohnehin schon einen nervösen Eindruck machte, obwohl er als Zeuge und nicht als Tatverdächtiger oder gar Beschuldigter belehrt worden war, lief plötzlich rot an. Man sah ihm an der Nasenspitze an, dass er sich ertappt fühlte. Was ihm in diesem Moment wohl selbst bewusst wurde. Er musste etwas preisgeben, das er vermutlich gerne verschwiegen hätte. Erstaunliches kam jetzt zutage, allerdings vereinfachte es die Dinge nicht. Manchmal kann auch das Einräumen von Fehlverhalten oder sogar Straftaten vom Hauptthema ablenken. Und das war in diesem Fall Mord.
    »Als Ausländer darf man sich nur für jeweils drei Monate in Uganda aufhalten, dann muss man ausreisen und wieder neu einreisen«, begann er zu schildern. »Deshalb habe ich immer rechtzeitig ein Flugticket gebucht, damit die Ausreise vor Ablauf der jeweiligen Dreimonatsfrist auch wirklich gesichert ist. Wird sie nämlich
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