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Der Mörder aus dem Schauerwald

Der Mörder aus dem Schauerwald

Titel: Der Mörder aus dem Schauerwald
Autoren: Stefan Wolf
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1. Abkürzung durch den Schauer-Wald
     
    Es war Mitte Dezember, ein Freitag.
    In Kleinfelden, einem Dorf vor der
Großstadt, berührte der Himmel die Kirchturmspitze.
    Schneeflocken wirbelten, setzten sich
auf Gabys Goldhaar und Oskars Fell.
    Die Sicht reichte nur bis zur
ausgestreckten Hand. Gaby hielt Oskars Leine. Der Vierbeiner trottete und
schnüffelte mal nach rechts, mal nach links.
    „O nein! Haaaaalt!“
    Gaby rief gegen die Schneeschleier an.
Aber die wickelten jeden Laut ein. Nur das lange A war noch ein bißchen zu
hören.
    „So ein Mist!“
    Gaby stampfte auf mit dem linken
Moonboot (Schneestiefel).
    Aber weil der Gehsteig sich mit Schnee
bedeckt hatte, blieb das ganz ohne Wirkung.
    Die Rücklichter des Linien-Busses
schienen zu grinsen. Den Motor hörte Gaby nicht. Der Bus fuhr weiter — der Bus
der Linie Kleinfelden — Staatsoper in der Großstadt. Er verschwand im
Schneegestöber.
    Verpaßt! Um höchstens 30 Sekunden!
    Gaby pustete gegen ihren Pony.
    „Was machen wir jetzt, Oskar? Der
nächste fährt erst in zwei Stunden.“
    Der Cocker-Spaniel blickte zu seinem
Frauchen auf.
    Dann kratzte er sich hinter dem Ohr.
Vielleicht dachte er nach. Vielleicht biß ihn ein Floh. Es half Gaby nicht
weiter.
    Im Wartehäuschen der Haltestelle lagen
Abfälle auf dem Boden. Ein Zigarettenrest glühte noch.
    Gaby las den Fahrplan.
    „Wie ich schon sagte, Oskar. Erst in
zwei Stunden, um genau 16.02 Uhr.“
    Oskar schnupperte an einer Wurstpelle.
Sie bestand aus Kunststoff.
    Gaby zog ihren Vierbeiner zurück.
    Warten? überlegte sie. Hier bestimmt
nicht. Und ein Schaufensterbummel in Kleinfelden? Bitte nicht! Natürlich könnte
ich zu Petra zurückgehen. Aber die ist ja jetzt beim Zahnarzt, nur ihre Mutter
ist noch da. Hm!
    Gaby hatte Petra Goehme besucht, eine
Schulfreundin. Spätvormittags nach der fünften Stunde waren sie mit dem Bus
hergekommen. Gaby aß bei den Goehmes, und Petra führte ihre selbstgestrickten
Pullover vor. Doch um 14.15 Uhr war ihr Termin beim Dorf-Zahnarzt.
    Damit endete auch Gabys Besuch.
    „Weißt du was, Oskar? Wir gehen durch
den Schauer-Wald. Das sind nur zwei Kilometer, eine prima Abkürzung. Dann sind
wir in Stettenborn und können die Straßenbahn nehmen.“
    Stettenborn, ein ehemals ländlicher
Ort, war längst mit der Großstadt zusammengewachsen.
    Gaby nestelte die Kapuze aus ihrem
Anorak und zog sie über den Kopf.
    Oskar hatte Schneeklumpen an den Beinen
und machte Spreizschritte.
    Lachend befreite Gaby ihn von den
hinderlichen Klumpen.
    Sie zogen los. Gleich hinter
Kleinfelden beginnt der Schauer-Wald. Er dehnt sich aus weit nach Westen,
berührt vier oder fünf Dörfer, wächst ein Stück an der Autobahn entlang und
endet in der Ebene, wo die Felder bis hinter den Horizont reichen.
    Gaby und Oskar traten unter die Bäume.
    Die Wipfel der Fichten schoben sich
zusammen, bildeten ein Dach, ließen nur wenige Schneeflocken durch.
    Dennoch war der Waldboden überzuckert,
und das gefrorene Herbstlaub knirschte unter Gabys Stiefeln.
    Ein Wegweiser-Schild STETTENBORN
deutete geradeaus.
    2,8 km — war vermerkt. Also doch etwas
weiter.
    Nach fünf Minuten Fußmarsch wurde der
Wald auf beiden Seiten dunkler. Hier standen die alten Bäume. Ihre Äste waren
länger, die Zweige dichter benadelt. Das Dach des Waldes hielt Sonnenstrahlen
ab, filterte den Regen und fing den Schnee auf.
    Unheimlich! dachte Gaby.
    Sie konnte tief in den Wald sehen. Die
Stämme waren schwarz und feucht. Auf den Tannennadeln, die den Boden bedeckten,
lag Schnee.
    Oskar blieb stehen.
    Sein Nackenfell sträubte sich.
Vorsichtig schob er den Kopf vor. Schnorchelnd beroch er die Spur.
    Sie verlief quer über den Weg und war
ganz frisch.
    Das gibt’s doch nicht, dachte Gaby
verwundert. Eine Hundefährte. Eindeutig! Aber diese Riesenpfoten! Schuhgröße
48, wie? Geht hier ein Bernhardiner spazieren?
    Leise begann Oskar zu knurren.
    Er kniff die Stummelrute ein, duckte
sich, schnorchelte in die Laufrichtung des Riesenhundes.
    Gaby blickte unter die Bäume.
    In derselben Sekunde schrie sie auf.
    Eine Katze lag zwischen zwei
geschlängelten Wurzeln. Aber es war nur noch der Rest eines Samtpfoters. Mit
gewaltigem Fang (Maul) hatte der Mörder sie in zwei Teile zerbissen.
    Der Schreck lähmte.
    Entsetzt preßte Gaby den linken Handschuh
an den Mund.
    Oskar winselte, schaltete den
Rückwärtsgang ein und drückte sich zwischen Gabys Unterschenkel, die bis zur
Wade in den Moonboots steckten.
    Ein dumpfer Laut drang her
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