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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Autoren: Josef Wilfling
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ich tiefes Mitleid. Ich konnte nicht umhin, mir den Schmerz und die Todesangst vorzustellen, die dieser Mensch in den letzten Minuten oder Sekunden seines Lebens erlitten haben musste. Diese Frau hier starb jedenfalls eines grausamen Todes. Es war eines jener Tötungsdelikte, bei denen sich Mitleidlosigkeit und abgrundtiefer Hass im Zustand der Leiche widerspiegelten.
    Grundsätzlich zeigte sich das klassische Bild einer Beziehungstat: einer Tat, bei der sich lange aufgestauter Hass explosionsartig entladen haben könnte, also im Affekt. Dafür sprach dieses sogenannte Übertöten, welches daran erkennbar ist, dass der Täter mehr getan hatte, als notwendig gewesen wäre, um das Opfer zu töten. Raubmörder, Auftragskiller oder Einbrecher beschränken sich gewöhnlich auf die bloße Tötung ihrer Opfer, da es ihnen in erster Linie darauf ankommt, Beute zu machen, einen Auftrag zu erfüllen oder sich bei Entdeckung der Festnahme zu entziehen.
    Christine L. war offensichtlich beim Bügeln ermordet worden, da eine noch ungebügelte Bluse auf dem Bügelbrett lag. Darauf fanden sich zahlreiche Blutspritzer, die keine Zweifel daran ließen, dass die Tötungshandlung hier erfolgt sein musste.
    Das Bügeleisen befand sich neben der Leiche am Boden und war offensichtlich mitgerissen worden. Allerdings war es längst erkaltet und das Kabel aus der Steckdose gezogen worden, die sich mindestens zwei Meter entfernt in der Wand befand. Am Stecker sah man Blutantragungen. Wer war da so besorgt, dass etwas in Brand geraten könnte? Und wann wurde diese Vorsichtsmaßnahme von wem durchgeführt?
    In diesem Fall konnte man sowohl an der ausgedehnten Blutlache als auch den zahlreichen Blutspritzern an Wänden und am Boden erkennen, dass Auffindungsort und Tatort identisch sein dürften. Christine L. musste hier in diesem Raum überrascht und getötet worden sein. Diesen Rückschluss erlaubte schon die erste Inaugenscheinnahme, ohne den Rechtsmedizinern vorgreifen zu wollen, die auf das Lesen von Blutspurenbildern spezialisiert sind. Sie würden sogar Aussagen darüber treffen können, welche Positionen Opfer und Täter bei den jeweiligen Tatphasen innehatten, wie diese wechselten und wo und in welcher Reihenfolge jeder einzelne Tropfen oder Spritzer entstanden sein musste. Sie konnten auch einschätzen, ob es sich beim Täter um einen Links- oder Rechtshänder gehandelt haben könnte, aus welcher Richtung und mit welcher Intensität die Schläge geführt wurden und wie viele Personen im Raum gewesen sein mussten.
    Peter L. hielt sich im Haus von Friedrich O. auf, wo er von Freunden aus der ganzen Nachbarschaft betreut wurde. Als ich das Haus betrat, war ich in einem Zustand erwartungsvoller Anspannung. Man hatte mir bereits mitgeteilt, dass Peter L. ein 39 -jähriger Jurist war, der in einem internationalen Unternehmen arbeitete. Er saß im Wohnzimmer, und ein Kollege des Erkennungsdienstes nahm Spurensiche rungsmaßnahmen an ihm vor. Momentan kratzte er ihm gerade die Fingernägel aus, weil er zum Spurenträger geworden war. Hatte er sich doch schreiend auf die Leiche seiner Frau geworfen, als er sie im Keller auffand.
    Lisa befand sich derweil in Obhut der Familie ihrer Freundin Nicole, die gleich in der Nähe wohnte. Weil es keine engen Verwandten gab, sollte sie dort auch bleiben. Ein glücklicher Zufall, denn Lisa fühlte sich bei den liebevollen Eltern ihrer besten Freundin wie zu Hause.
    Eine Kinderpsychologin übernahm anderntags die Aufgabe, dem Mädchen schonend beizubringen, dass seine Mama nicht mehr wiederkommen werde. Das ge schah auf unsere Bitte hin, verbunden mit dem Wunsch einer vorsichtigen Befragung, ob sie etwas mitbekommen haben könnte von dem, was sich im Keller des Hauses zugetragen hatte. Gott sei Dank war das nicht der Fall. Wie sich herausstellte, bemerkten weder Lisa noch ihre Freundin Nicole irgendetwas von den schrecklichen Vorgängen.
    Als Ehemann des Tatopfers und Auffindungszeuge war Peter L. unsere wichtigste Informationsquelle. Da seine sofortige, umfassende Vernehmung unabdingbar war und die Ermittler mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt waren, übernahm ich diese Aufgabe.
    Peter L. saß ganz ruhig da und ließ die Maßnahmen des Kollegen geduldig über sich ergehen. Er wirkte gefasst, was aber nicht als auffällig zu bezeichnen gewesen wäre. Menschen trauern unterschiedlich. Hunderte Male hatte ich das schon miterleben müssen, sodass mir keine Variation fremd war. Dem äußeren Anschein nach
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