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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Autoren: Josef Wilfling
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verhielt er sich so, wie man es von einem Mann, der gelernt hat, seine Emotionen im Griff zu behalten, in dieser Situation erwarten würde. Traurig, ruhig, in sich gekehrt und sichtlich betroffen. Oder angstvoll? Oder vorsichtig abwartend? Hatte er die Antennen ausgefahren?
    Alles hätte möglich sein können, doch mir fiel nichts Besonderes auf. Oft erregen Täter allein durch auffälliges Verhalten unser Misstrauen. Gute Ermittler werden schnell misstrauisch und verfolgen diese Fährte hartnäckig. Deshalb wollen es die meisten Täter unbedingt vermeiden, bei der Auffindung der Leiche zugegen zu sein, denn dabei verraten sie sich leicht.
    Bevor ich mit Peter L. zur Zeugenbefragung ins Präsidium fuhr, durfte er sich in einem separaten Raum umziehen. Da er sich auf die Leiche geworfen und dadurch zum Spurenträger und -verursacher geworden war, sollte seine Kleidung dem Erkennungsdienst übergeben werden. Friedrich O. lieh ihm einen Trainingsanzug.
    Nun saß Peter L. auf dem Beifahrersitz meines Dienstwagens und wirkte sehr nachdenklich. Er habe schon viel von der hohen fachlichen Qualität der Münchner Mordkommission gehört, sagte er auf der Fahrt zum Polizeipräsidium. Er schätze unsere Arbeit sehr und sei zuversichtlich, dass wir alles tun würden, um diese Tat aufzuklären. Darauf könne er sich verlassen, versicherte ich ihm.
    Mir saß ein Profi gegenüber, ein Jurist in einem großen Unternehmen mit sehr speziellen Aufgaben vorwiegend im Ausland. Obwohl sich der eloquente, ausgesprochen beherrscht wirkende, höfliche Mann während des kurzen Vorgesprächs sehr bescheiden gab und sein berufliches Engagement eher kleinredete, erfuhr ich erst viel später, welch bedeutende Stellung der Einserjurist innehatte. Momentan war er für mich Angehöriger eines Mordopfers. Und mit diesen Menschen geht man besonders behutsam um.
    Inzwischen hatte ich Kaffee gekocht und eine Protokollführerin angefordert. Um 21.00 Uhr be gann dann die schriftliche Vernehmung des Zeugen Peter L. Da gegen ihn kein Tatverdacht bestand, begannen wir sofort mit der schriftlichen Protokollierung.
    Obwohl Peter L. Jurist war, belehrte ich ihn ordnungsgemäß als Zeugen. Ich wollte jeden Fehler vermeiden und wies ihn darauf hin, dass er zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet sei, dass er niemanden bewusst falsch beschuldigen und dass er auch nichts verschweigen dürfe. Gelassen, fast in sich ruhend, nahm er alles zur Kenntnis.
    Dass sich diese erste Vernehmung bis 4.00 Uhr am Morgen des nächsten Tages hinziehen würde, war nicht absehbar, aber auch nicht ungewöhnlich. Vernehmungen bei der Mordkommission dauern in der Regel mehrere Stunden. Das hängt damit zusammen, dass jedes Wort sorgfältig protokolliert werden muss. So braucht man vor allem eines: Geduld.
    Während der gesamten Dauer der Vernehmung wurde ich mit Informationen durch das Ermittlungsteam versorgt. Ich meinerseits teilte den Kollegen vor Ort neue Erkenntnisse mit, die sich aus der Befragung ergaben. Parallel zu dieser Befragung erfolgte eine ganze Reihe anderer Vernehmungen im Umfeld des Opfers. Zudem arbeitete der Erkennungsdienst auf Hochtouren. Bei aktuellen Mordfällen gibt es keinen Feierabend und kein Wochenende.
    Ich schlug Peter L. vor, sofort zur Sache zu kommen und die Fragen zu den persönlichen Verhältnissen zurückzustellen. So begann ich mit jener Frage, mit der alle Vernehmungen dieser Art beginnen:
    »Herr L., haben Sie einen bestimmten Tatverdacht?«
    »Keinen konkreten. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es mit ihren Handyverkäufen zu tun hat. Meine Frau arbeitete in leitender Position bei einer Telefonfirma und hatte ständig die neuesten Handys zur Verfügung, wobei sie die Vorgängermo delle behalten und verkaufen konnte.«
    »Was ist daran so besonders? Wieso sehen Sie da einen Zusammenhang?«
    »Sie inserierte in Zeitungen und zog damit immer wieder Interessenten an, die teilweise nicht sehr vertrauenswürdig wirkten.«
    »Können Sie das etwas konkretisieren?«
    »Mir war das gar nicht recht. Zu uns kamen immer wieder Leute an die Haustür, die teilweise aufdringlich und sogar aggressiv wurden, weil sie den Preis drücken wollten. Meine Frau war aber sehr energisch und konsequent. Manchmal wurde es laut an der Haustür. Ich habe sie oft gebeten, diese Verkaufsgeschäfte zu unterlassen, sie würde noch einmal eins über den Kopf bekommen. Ja, das habe ich wortwörtlich gesagt. Außerdem machte ich mir Sorgen, weil diese Leute damit unsere
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