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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren
Autoren: Arne Dahl
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›Plastikpapa‹ und ›Plastikmama‹ in den Wortschatz aufgenommen worden sind, müsste man auch ›Plastikkind‹ sagen können. Obwohl ich glaube, dass das Wort in Schweden noch nie benutzt worden ist. Jedenfalls nicht in dieser Bedeutung.«
    »Was ist denn ein Plastikpapa?«, fragte der Toupetmann und schien zu befürchten, selbst einer zu sein.
    »Mamas neuer Freund«, sagte die Russin bestimmt.
    »Aha«, seufzte der Toupetmann erleichtert. »Ja, von Frauen mit Kindern hält man sich natürlich fern. Das ist eine Binsenwahrheit.«
    »Obwohl ich glaube«, sagte der Stramme und Gutgekleidete, »dass die Diskussion ganz woanders anfing. Ich glaube, sie begann bei Heim Waldemar Mörners absoluter Unfähigkeit, an genetische Codes zu glauben.«
    »Nun wollen wir mal nicht so sein«, sagte der Toupetmann gutmütig.
    Der Gutgekleidete ignorierte ihn und wandte sich lächelnd der jungen Frau zu. »Wir können ja die Gelegenheit nutzen und die Überraschungsstripperin testen.«
    »Sag bloß, Niklas«, platzte der Mann namens Hjelm heraus, »du warst die ganze Zeit auf Rache aus.«
    »Nur ein bisschen«, gestand der Gutgekleidete und ließ ein unerwartet helles Jungenlachen hören. »Aber es ist auch ein Spiel, ein Detektivspiel. Die Fähigkeit, Anhaltspunkte aufzuschnappen. Denn es hat schon ein paar gegeben. Dies hier ist auch einer.«
    »Okay«, sagte die junge Frau ruhig. »Die Überraschungsstripperin ist bereit.«
    Der Gutgekleidete fixierte sie und wählte seine Worte sorgfältig: »Welches oder welche von den Kindern sind meine?«
    Die junge Frau sah ihn überrascht an und blickte dann in den Saal. Der Fotograf folgte ihrem Blick. Es waren viele Kinder, aber sie waren ziemlich leicht zu sortieren. Ein kleiner dunkelhaariger Junge von etwa acht Jahren. Vier braune Kinder, deren schwarze Mutter leicht zu erkennen war. Vier sehr blonde, hellhäutige Kinder. Nein, fünf, wenn man das große Mädchen mitzählte, das mit einem ungefähr gleichaltrigen dunkelblonden Mädchen an einem Tisch saß und maulte. Dazu ein kleines Bündel auf dem Bauch eines dunkelhäutigen Mannes sowie zwei kleine Mädchen mit länglichen Gesichtern, die umhertapsten und mit Rasseln aufeinander einschlugen.
    Die junge Frau beobachtete die Kinderschar eine ganze Weile und überlegte. Der Fotograf knipste ein Bild. Mit der verschmitzt lächelnden Gruppe im Hintergrund. Es wurde das drittbeste Bild des Tages.
    Dann drehte sie sich um und sagte: »Das Mädchen am Tisch. Die Dunkelblonde, die so sauer ist.«
    Der Gutgekleidete klatschte triumphierend in die Hände.
    Der Mann namens Hjelm schob die Plastikbrille in die Stirn und sagte: »Auf gewisse Weise ist es richtig. Da und nirgendwo sonst hat diese Diskussion angefangen. Nämlich mit meiner Prahlerei, dass es mir gelungen ist, meine Tochter Tova mitzubringen. Eine unwahrscheinliche Leistung.«
    Die junge Frau beobachtete ihn und runzelte die Stirn. Dann wandte sie sich fragend an den Gutgekleideten, der sich noch immer erfreut die Hände rieb. Er betrachtete sie eine Weile – lange genug, um sie dazu zu bringen, erste Anzeichen von Irritation zu zeigen.
    Das war das Signal.
    »Es sind die kleinen schwarzen«, sagte er.
    Da lachten sie laut. Allesamt.
    Sie lachte am lautesten von allen.
    »Dann ist jetzt der Zeitpunkt für etwas ganz anderes gekommen«, sagte der Toupetmann und faltete ein zerknittertes Papier auseinander, das er aus seiner Tasche gefischt hatte. »Jan-Olov!«, rief er unnötig laut. »Es ist an der Zeit, dass ich ein paar passende Worte sage! Als Dank für die gemeinsamen Jahre!«
    Die Kamera war jetzt auf die Hauptperson des Abends gerichtet und holte den Jubilar mit dem Zoom heran, wie er, den Arm um eine gut erhaltene ältere Frau gelegt, zehn Meter entfernt unter dem Spruchband stand. Es wurde ein Foto der wahrlich entlarvenden Gesichtsausdrücke.
    Das zweitbeste Bild des Tages.
    Selten war eine so große Nase so gerümpft.
    Der Toupetmann stieg geschmeidig auf einen Stuhl, um von da aus weiter auf den Tisch zu klettern. Leider stand eines der Stuhlbeine auf einem kleinen Feuerwehrauto, sodass der Stuhl rasant zur Seite glitt. Das rechte Bein des Mannes war bereits auf dem Tisch, und das linke rutschte zurück, sodass er in einer Position landete, die man als Spagat bezeichnen musste. Da zog er das linke Bein an sich, bekam es unter den Tisch und riss es heftig hoch. Der ganze Tisch hob ab und schwebte einen Augenblick direkt über ihm, während er waagerecht in der Luft
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