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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren
Autoren: Arne Dahl
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Haarstoppeln des kleinen Bündels. »Isabel ist ein schöner Name. Wann ist die Taufe, Sara?«
    »Das steht noch nicht ganz fest«, sagte der dunkelhäutige Mann mit einem Anflug von Irritation. »Wir diskutieren noch, welche Kirche. Katholisch oder protestantisch.«
    »Dass man immer etwas findet, worüber man sich streiten kann«, sagte der Riese bedächtig. »Es ist ein natürliches Bedürfnis. Wir zum Beispiel streiten uns um ein Haus.«
    »Ein Haus?«, sagte die Kurzgeschorene.
    »Eher eine Hütte. Ein Häuschen. Griechenland oder Italien. Ludmila hat ein kleines Anwesen in Venetien gefunden, vierzig Kilometer von Venedig entfernt. Ich will immer noch auf die Kykladen.«
    »Aber wie könnt ihr euch das leisten?«, platzte der Dunkelhäutige heraus.
    Der Riese zuckte mit den Schultern. »Tja, Jorge«, sagte er. »Wir haben beide eine ganze Reihe von Jahren unser sparsames Singleleben geführt. Keine wirklichen Ausgaben. Plötzlich können wir es uns leisten. Es war schön, das zu entdecken. Ich hatte nicht einmal mit dem Gedanken gespielt.«
    »Wie kann man sich auf der anderen Seite einen neuen E-Bass leisten?«, fragte die Kurzgeschorene. »Mit eben erst gekaufter Wohnung und einem neugeborenen Kind?«
    Der Dunkelhäutige gab keinen Mucks von sich. Er war vergrätzt.
    Der Riese sagte: »Also dafür nutzt du deinen Erziehungsurlaub, Jorge?«
    »Wenn man mit dem Messer an der Kehle etwas Positives über dich sagen müsste, Gunnar, dann dass du billige Pointen in der Regel vermeidest.«
    »Ich habe es ganz wörtlich gemeint. Wertfrei. Nutzt du dafür deinen Erziehungsurlaub?«
    »Es ist doch nichts, worüber man sich aufregen müsste. Es war eine gute Gelegenheit, wieder mit dem Spielen anzufangen. Wir sind eine Gruppe von Amateuren, die im Erziehungsurlaub sind.«
    »Aber E–Bass? Ich dachte, du spielst Jazz?«
    »Das eine schließt das andere nicht aus«, sagte die kurzgeschorene Frau mit schmalem Mund. »Er hat auch einen neuen Kontrabass gekauft. Auf Raten.«
    »Jetzt wollen wir doch nicht streiten«, sagte der Große väterlich. »Denkt lieber an Henri Camara. Dann haben wir Grund, gemeinsam sauer zu sein. Gemeinsam Trübsal zu blasen.«
    »Hör bloß damit auf«, sagte der Dunkelhäutige. »Scheißspiel.«
    »Henri Camara?«, fragte die Kurzgeschorene.
    »Der Mann hat im Achtelfinale Schweden gegen Senegal zwei Tore geschossen. Henrik Larsson hat eins geschossen, und das war prima. Denkt positiv.«
    Es war eine gute Gelegenheit, sich zu entfernen. Der Fotograf feuerte ein paar Prachtblitze ab, und seine Schritte, als er die schwachen Babyschreie hörte, waren eindeutig beschleunigt.
    Er machte bei einer anderen Menschentraube halt.
    Eine kohlschwarze Frau sagte im Dalarnadialekt: »Wie schön sie spielen. Ich hatte mir ein bisschen Sorgen gemacht, dass es ein Chaos werden würde.«
    Der kreideweiße Mann, den der Fotograf am Aufzug getroffen und der sich als Arto Söderstedt vorgestellt hatte, legte den Arm um eine fast ebenso kreideweiße Frau und sagte nachdenklich: »Es erinnert an Schach …«
    Der Fotograf drehte sich zu den spielenden Kindern um, die eine Hälfte weiß, die andere schwarz. Er lachte und machte ein paar Bilder.
    Die kohlschwarze Frau lachte laut und vernehmlich. »Ja, Wahnsinn«, stieß sie aus. »Das Finale.«
    Die Frau in der Umarmung sagte im finnlandschwedischen Tonfall: »Die weißen sind unsere – die Bockige da am Tisch auch –, und die schwarzen sind eure. Das ist nicht schwer zu erkennen. Aber wer ist der Junge, der die ganze Zeit herumläuft und die Mädchen an den Haaren zieht?«
    »Der Joker im Spiel«, sagte der weiße Mann.
    »Ich weiß es nicht«, sagte die schwarze Frau.
    »Aber ich weiß es«, sagte der weiße Mann. »Und wenn man vom Teufel spricht, siehe da, die dritte Mutter. Mama Kommissar.«
    Eine kleine dunkle Frau um die vierzig mit einem großen jüngeren Mann im Schlepptau gesellte sich zu der Gruppe.
    »So spricht man aber nicht über seine Vorgesetzte«, sagte sie in klassischem Göteborgdialekt.
    Der Fotograf konnte noch ein paar Schnappschüsse machen, bevor sie sich zu den Kindern umwandte und schrie:
    »Anders! Was fällt dir denn ein! Du sollst die Mädchen nicht an den Haaren ziehen.«
    Der Junge lachte laut und zog gleich wieder ein Mädchen an den Haaren.
    »Es ist okay«, sagte die schwarze Frau. »Noch finden es die Mädchen ganz lustig.«
    »Das Problem ist, dass wir nie aufhören, es ganz lustig zu finden«, sagte die Göteborgerin und streckte
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