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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Fließtext-RTF
     
    Non-profit scan by tigger
    Corrected by dago33
     
    Mai 2003
     
    Kein Verkauf
     
     
    insel taschenbuch 1435
    Erste Auflage 1992
    Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1992
    © der deutschsprachigen Übersetzung
    Insel Verlag Frankfurt am Main 1983
    Alle Rechte vorbehalten
    Vertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch Verlag
    Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus
    Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
    Printed in Germany
     
    l 2 3 4 5 6 – 97 96 95 94 93 92
    Wie die Welt noch einmal davonkam
     
     
    Eines Tages baute Trurl eine Maschine, die alles produzieren konnte, was mit dem Buchstaben n begann. Als sie fertig war, testete er sie, indem er ihr befahl, Nähgarn, Nadelstreifen und Négligés herzustellen, was sie auch tat; sodann ließ er sie das ganze auf Nangkingseide nähen und an eine nasse Nargileh, gefüllt mit Novocain, Nelken und Nieswurz nageln. Sie erledigte den Auftrag bis aufs I-Tüpfelchen. Da er noch nicht völlig von ihren Fähigkeiten überzeugt war, mußte sie der Reihe nach Nimbusse, Nasenlöcher, Neutronen, Nudeln, Nabelschnüre, Nymphen und Natrium herstellen. Letzteres konnte sie nicht, und Trurl, darüber sichtlich irritiert, forderte eine Erklärung.
    »Ich weiß nicht, was das ist«, rechtfertigte sich die Maschine. »Wie? Aber das ist doch simples Soda. Du weißt schon, das Metall, das Element …«
    »Wenn es Soda heißt, dann fängt es mit s an, ich aber arbeite nur auf n.«
    »Aber lateinisch heißt es Natrium.«
    »Hör zu, alter Freund«, sagte die Maschine, »wenn ich alles auf n in jeder beliebigen Sprache herstellen könnte, dann wäre ich eine Universalmaschine für das ganze Alphabet, denn ganz sicher beginnt jeder Gegenstand, den du bei mir bestellst, in der einen oder anderen Fremdsprache mit n. So einfach ist das nicht. Ich kann nicht mehr tun, als mein Programm enthält, und das stammt von dir. Also kein Soda.«
    »Nun gut«, gab sich Trurl zufrieden und befahl ihr als nächstes, Nacht und Nebel zu erzeugen, was sie augenblicklich tat – beide waren vielleicht etwas zu feucht geraten, jedoch vollkommen nächtlich und neblig. Nach diesem letzten Test bat er seinen Freund Klapauzius zu sich, weihte ihn in die Geheimnisse der Maschine ein und lobte deren außerordentliche Fähigkeiten so über den grünen Klee, daß sich Klapauzius insgeheim ärgerte und darum bat, dieses Wunderwerk selbst einmal testen zu dürfen.
    »Bitte sehr«, sagte Trurl. »Aber es muß mit n anfangen.«
    »Auf n?« sagte Klapauzius. »In Ordnung. Sie soll Naturwissenschaften produzieren.«
    Die Maschine summte und brummte, und kurze Zeit später schon wimmelte es nur so in Trurls Vorgarten von Naturwissenschaftlern. Die einen lagen sich in den Haaren, die anderen schrieben an dickleibigen Wälzern, andere wiederum griffen danach und rissen sie in Fetzen; in der Ferne loderten Scheiterhaufen auf, in denen die Märtyrer der Naturwissenschaft umkamen; hin und wieder gab es Explosionen, begleitet von seltsam pilzförmigen Rauchsäulen; alle redeten auf einmal, doch keiner hörte zu, es wurden jede Menge Memoranden, Petitionen und Resolutionen verfaßt; etwas abseits von der lärmenden Menge saßen ein paar Greise und bekritzelten fieberhaft Papierfetzen.
    »Na, ist das vielleicht nichts?!« rief Trurl voller Stolz. »Die Naturwissenschaft wie sie leibt und lebt. Das mußt du zugeben!«
    Aber Klapauzius war nicht zufrieden.
    »Was? Dieser wilde Haufen soll die Naturwissenschaft sein? Das ist doch nicht dein Ernst?!«
    »Na gut, dann sag etwas anderes, die Maschine macht es dir sofort!« gab Trurl unwirsch zurück. Für einen Moment wußte Klapauzius nicht, was er sagen sollte. Doch nach kurzem Nachdenken erklärte er, er werde der Maschine zwei weitere Aufgaben stellen, und falls sie die zu seiner Zufriedenheit lösen sollte, würde er gern zugeben, daß sie so vollkommen sei, wie Trurl gesagt hatte. Trurl war einverstanden und Klapauzius befahl ihr, Negativa herzustellen.
    »Negativa?« schrie Trurl. »Was zum Teufel meinst du damit?«
    »Aber das ist doch sonnenklar! Sie sind die negative Kehrseite aller Dinge, ihr negatives Spiegelbild«, gab Klapauzius seelenruhig zurück. »Tu nur nicht so, als hättest du nie von Negativa gehört! Und nun, Maschine, an die Arbeit!«
    Die Maschine indes hatte längst angefangen. Zuerst produzierte sie Antiprotonen, dann Antielektronen, Antineutrinos und Antineutronen, und sie arbeitete unermüdlich weiter, bis sich aus all der
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