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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren
Autoren: Arne Dahl
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Haar.
    Dieser blinzelte einen Moment geblendet, bevor er sagte:
    »Ah, ausgezeichnet. Vom Fotoring? Wir haben schon auf Sie gewartet.«
    »Tut mir leid, dass ich ein wenig verspätet bin«, sagte der Fotograf. »Ich habe mich verirrt.«
    »Da sind Sie nicht der Einzige. Ich bin Arto Söderstedt, Festkomitee. Jetzt störe ich Sie nicht länger bei der Arbeit. Nur rein ins Getümmel und frisch drauflos mit dem Auslöserfinger.«
    Der Fotograf brachte die Kameratasche in Ordnung und stürzte sich ins sogenannte Getümmel.
    Nachdem der Geräuschpegel durch die spektakuläre Ankunft des Zwillingskinderwagens vorübergehend gedämpft worden war, stieg er wieder an. Die Gäste standen in kleinen Gruppen zusammen, die sich mit gewisser Regelmäßigkeit auflösten und neu formierten.
    Der Fotograf machte eine Reihe von Übersichtsbildern. Bald hatte man sich an seine Blitze gewöhnt und nahm sie als natürlichen Bestandteil des Fests.
    Zuerst das Spruchband. Verschiedene Konstellationen unter dem Spruchband, verschiedene Winkel.
    Es war nicht schwer, die Person, der zu Ehren das Fest stattfand, zu entdecken. Der Mann stand mit einem Champagnerglas in der Hand da und unterhielt sich mit Gratulanten zur Rechten und zur Linken. In regelmäßigen Abständen schob er die Minibrille hoch, die darauf bestand, auf seiner enormen Nase abwärtszugleiten.
    »Die Blumen riechen ein bisschen eigenartig«, sagte er und schüttelte die ausgestreckte Hand der Lederjacke.
    »Es sind spezialimportierte holländische Tulpen«, sagte die Lederjacke. »Du kannst jetzt aufhören, misstrauisch zu sein, Jan-Olov. Die Zeit ist vorbei.«
    »Und die Streifen verschwinden über Nacht?«
    »Es wird gut gehen. Kerstin weiß, was sie tut.«
    »Das ist mir klar«, sagte die Hauptperson. »Ich habe sie selbst ausgesucht.«
    »Vielleicht nicht ganz allein, oder?«, sagte ein braungebrannter blonder Mann, der von der Seite herantrat und der Hauptperson einen freundschaftlichen Faustschlag auf den Oberarm versetzte.
    »Doch«, sagte die Hauptperson sachlich und betrachtete den Oberarm, doch da hatte sich der Blonde, dessen welliges Haar stark an ein Toupet erinnerte, schon der Ehefrau der Lederjacke zugewandt.
    »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht«, sagte er mit funkelndem Lächeln. »Ich bin Waldemar Mörner, der formelle Chef der A-Gruppe.«
    »Astrid«, sagte die Angesprochene. »Ich gehöre zu Viggo Norlander.«
    Der Fotograf schoss ein paar Bilder und streifte dann durch den Saal.
    Eine unglaubliche Menge Kinder geriet jetzt vor die Linse der Kamera. Wie eine Mischung aus Jugendzentrum und Kindergarten. Er zählte neun etwas kleinere Kinder und zwei etwa sechzehnjährige Mädchen, die für sich an einem Tisch saßen und gelangweilt dreinblickten. Die neun kleineren waren eine gemischte, aber auffallende Schar: vier waren Mulatten, vier kreideweiß, und ein Junge war dunkelhaarig. Er war vielleicht acht Jahre alt und schien sich wie im Paradies zu fühlen, so wie er herumlief und die Mädchen an den Haaren zog. Sie schrien wie auf Bestellung. Wie Orgelpfeifen.
    Die Kamera fing jetzt die beiden größeren Mädchen ein. Eines war strohblond und gehörte eindeutig zu den vier kleineren kreideweißen Kindern. Das zweite war dunkelblond und schwerer zuzuordnen.
    »Voll ätzend hier, so was Beschissenes«, sagte die Strohblonde.
    »Volltrottel«, sagte die Dunkelblonde. »Scheiße, dass mein Alter mich mitgeschleppt hat. Ich muss nett zu ihm sein, jetzt, wo sie sich scheiden lassen.«
    »Ich wollte, meine täten es. Dann hätte ich ein eigenes Zimmer.«
    Der Fotograf drückte ab. Der Blitz sprang ihnen in die Augen.
    »Hau ab«, fauchte die Strohblonde. »Verfluchter Dodel.«
    »Oberfreak«, zischte die Dunkelblonde.
    Das Kameraauge schwenkte weiter durch den Saal.
    Ein sehr großer Mann hob das Champagnerglas in Richtung eines ungleichen Paars um die dreißig und sagte mit Nachdruck: »Mädchen sitzen im Schoß, und Jungen trägt man unterm Herzen.«
    Das ungleiche Paar wechselte einen Blick. Die Frau war groß, blond und kurzgeschoren, der Mann bedeutend kleiner, von dunklem Typ und mit halblangem Haar. Vor seiner Brust hing ein Bündel in einem Tragegurt.
    Der Fotograf drückte mehrmals ab und kassierte eine Serie wenig freundlicher Blicke. Er behielt die Kamera vorm Gesicht.
    »Mädchenbauch«, sagte die kurzgeschorene Frau versonnen. »Du hattest recht, Gunnar.«
    »Das ist unfehlbar«, sagte der Riese und streichelte behutsam über die dunklen
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