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Und ploetzlich bist du jemand anders

Und ploetzlich bist du jemand anders

Titel: Und ploetzlich bist du jemand anders
Autoren: Christian Tielmann
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an. Und Kaffee erinnert nicht an Tee.
    Scheiß-Tee.
    Sogar Theos Vater ist mal zu Hause.
    „Das liegt alles nur an dieser Sekte!“, schimpft er.
    „Sekte?“
    „Ja, Haus der Weisheit oder wie die sich nennen!“, sagt er. „Die haben Theo das Gehirn gewaschen und nichts übrig gelassen. Pissnelken!“
    „Horst!“, ermahnt Theos Mutter.
    „Sorry, aber man wird ja wohl noch die Wahrheit sagen dürfen, oder nicht?“
    Wahrheit entwickelt sich zu einem Wort, das Sten nicht mehr hören kann.
    Er steht da. Sekte. Ist es das? Steckt das dahinter? Sekten sind gefährlich. Aber diese Tante aus der Teeküche sah eigentlich nicht besonders gefährlich aus.
    Theos Vater redet sonst nie viel. Immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit.
    „Schon seit zwei Monaten läuft der da jeden Tag hin. Jeden Tag!“ Theos Vater schüttelt den Kopf. „Ich hab’s ihm verboten. Geht er halt heimlich hin. Jetzt verbrät der richtig Geld für diese verdammten Gurus! Fünfhundert Euro wollte der sich von mir leihen. Fünfhundert!“
    Sten kapiert das nicht. So teuer sah das Wandanstarren gar nicht aus.
    Theos Mutter seufzt. „Wir wissen auch nicht, was wir machen sollen, Sten. Redet er denn mit dir?“
    Sten schüttelt den Kopf. „Nicht so richtig.“
    „Die Mikroanlage hat er verkauft, den Mixer, das E-Drum-Set, die Lichtanlage, die wir ihm geschenkt haben – alles weg“, sagt Theos Vater bitter.
    „Aber es sind seine Sachen“, verteidigt seine Mutter Theo. „Und er kann damit machen, was er will.“
    „Ja, kann er“, faucht Theos Vater. „Aber ich geh nicht schuften, damit er mein Geld diesen Scharlatanen in den Rachen schiebt! Ich hab mal nachgerechnet. Weißt du, was Theo denen in den letzten beiden Monaten abgedrückt hat? Ich bin auf tausenddreihundert Euro gekommen. Ende nach oben offen!“
    „Jetzt arbeitet er ja selbst.“
    „Theo?“ Sten traut seinen Ohren kaum.
    Seine Mutter nickt. „Trägt Werbeblättchen aus.“
    Sten muss fast lachen. Gibt’s doch nicht. Über die Blättchen-Männchen hat er sich immer lustig gemacht. Jetzt ist er selbst eins geworden.
    „Willst du noch warten, bis er nach Hause kommt?“, fragt Theos Mutter.
    Aber Sten schüttelt den Kopf. „Nee, ich muss auch wieder los.“
    Theos Vater bringt ihn noch zur Tür. „Tut mir echt leid für eure Band, Sten. Ich hoffe, dass sich Theo irgendwann wieder fängt. Und falls du eine Idee hast, was ich dafür tun kann, dann sag es mir!“
    Sten nickt.
    Was für ein Blödsinn. Wenn Sten irgendeine Ahnung hätte, würde er sich seinen Freund schon selbst zurückholen.
    Er schiebt sein Rad durch den gepflegten Vorgarten.

    Plötzlich steht da Lea.
    Auf dem Rückweg, an der Ampel trifft er sie.
    Ihr Zebra-Mountainbike direkt neben Stens Rad. Ein bisschen zu dicht. Aber das macht die immer.
    „Hi!“
    Kann nur sie so sagen. Herausfordernd. Irgendwie lässig.
    „Hallo, Lea.“ Mit Namen ansprechen. Das hat sich Sten vorgenommen. Denn Namen schaffen Distanz. Gefahr benannt, Gefahr gebannt.
    „Lange nicht mehr im Teehaus gesehen. Und sag mal, was ist mit deinem Freund Theo los?“ Die Ampel schaltet auf Grün.
    Sten will am liebsten abhauen und gleichzeitig hierbleiben. Bei Lea. Bester Ort der Welt und so. Direkt nach dem Probenraum, versteht sich.
    „Was soll mit Theo sein?“ Also interessiert sich Lea eben doch mehr für Theo als für ihn.
    „Der labert doch nur noch völligen Schrott. Ich habe gehört, dass er sogar aus eurer Band ausgestiegen ist. Hat Vanessa erzählt.“
    Sten nickt. „Ja, der ist ein bisschen neben der Spur. Aber das wird wieder.“
    Sten glaubt es selbst nicht. Eigentlich. Aber Theo aufgeben? Niemals.
    Lea guckt ihn an.
    Hör auf damit, sonst muss ich heulen, denkt Sten.
    „Ich muss los“, sagt er. „Oder hast du ein Mikro für mich?“
    Lea zieht die Augenbrauen hoch.
    „Ein Mikro? Ich nicht, aber mein Vater vielleicht. Der hat jede Menge Zeug im Keller. Will er alles schon lange aufräumen und im Netz versteigern. Ich kann ihn fragen, wenn du willst.“
    Zufall. So ist das mit Lea.
    Sie ist einfach gut. Die Beste.
    Das will Sten ihr auch sagen. Würde ihr am liebsten um den Hals fallen. Sie festhalten.
    Aber dann denkt sie womöglich, dass er mindestens so durchgedreht ist wie Theo.
    „Das wäre echt cool! Ich habe aber nur dreißig, höchstens fünfzig Euro.“
    Wieder lächelt sie. „Ich frag ihn einfach.“
    Lea.
    Der Name heißt auf Deutsch: Licht im dunklen Tal.
    Sollte er jedenfalls heißen.
    Grün.
    Jetzt aber
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