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Und ploetzlich bist du jemand anders

Und ploetzlich bist du jemand anders

Titel: Und ploetzlich bist du jemand anders
Autoren: Christian Tielmann
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völlig falsch.
    „Als ich mein Geld aber nicht zurückzahlen konnte, sollte ich für die was tun.“
    „Du solltest für die Sekte arbeiten gehen?“, fragt Lea.
    „Ich glaube immer noch nicht, dass Sekte das richtige Wort ist“, sagt Yola. „Es ist mehr so eine sehr exklusive Wir-Gruppe. Aber egal. Ich sollte nicht arbeiten gehen. Ich sollte etwas zurückgeben. Ich sollte missionieren. Hab ich auch gemacht. Ist gar nicht mal schwer, Leute anzusprechen. Ich saß einfach im Teehaus rum und habe mir immer die Jungs und Mädchen ausgesucht, die am meisten depri wirkten. Wer nicht gleich drauf anspringt, für den passt die Gruppe nicht. Da lohnt es sich dann auch nicht, weiter hinterherzulaufen. Das haben mir schon die Meister beigebracht. Wir waren auch immer zu zweit.“
    Sten starrt Yola an. War sie es am Ende, die Theo angequatscht hat? „Hast du auch Theo …“
    „Nein. Ich kenne keinen Theo. Also muss das nach meiner Zeit gewesen sein. – Aber wie gesagt, er ist da völlig freiwillig.“
    „Ich weiß nicht mehr, was das Wort freiwillig bedeuten soll, so oft wurde mir das schon gesagt“, sagt Sten.
    „Dann glaub’s halt. – Es ist leichter, in so eine Gruppe reinzukommen als wieder raus“, fährt Yola fort. „Denn erst haben die Meister gemerkt, dass ich viele kritische Fragen stelle. Da haben die dann versucht mir zu zeigen, was ich alles von der Gruppe kriege: Liebe und Anerkennung. Das war der Wahnsinn.
    Alles, was ich gemacht oder gesagt habe, war plötzlich ganz toll und super. Herrlich. Fühlt sich vermutlich so an, wie du gerade bei deinem Applaus auf der Bühne. Stell dir vor, du kriegst diesen Kick ständig.“
    Sten denkt kurz nach. Der Applaus, das hat sich gut angefühlt. Irre gut. Als wäre er der King. Alles war möglich da oben – schweben im freien Raum.
    „Aber dann war da natürlich die Angst, dass ich total einsam werde, wenn ich nicht mehr hingehe. Und diese Angst wird von den Meistern geschickt ausgenutzt“, sagt Yola.
    „Wieso bist du ausgestiegen?“, fragt Lea.
    „Abgesehen vom Geld? Na ja. Du kriegst viel. Aber du gibst auch viel ab. Viel Verantwortung für dein Leben. Du lässt andere Leute für dich entscheiden. Damit ist eine ganze Menge Freiheit weg. Die wollte ich irgendwann wiederhaben.“
    Yola spielt mit einer Zigarette. „Ich hab ja selbst nicht gewusst, wo es langgeht. Sonst wäre ich doch nicht auf den Kram angesprungen.“
    Sie schweigt.
    Hängt ihren Gedanken nach.

    „Und warum ist jetzt das, was ich mache, Schwachsinn?“, fragt Sten nach einer Weile.
    Yola lacht. „Ich habe dich neulich im Teehaus gesehen bei deiner Gegenmission. Das bringt nichts, sage ich dir. Also, der Typ, der da angequatscht wurde, der geht vermutlich nicht ins Haus der Erkenntnis. Oder eben gerade doch. Du hast ehrlich gesagt einen ziemlich irren Eindruck gemacht.“
    Lea und Yola sehen sich an und grinsen.
    Lachen jetzt zwei Mädels über mich?, denkt Sten.
    „Aber so wirst du Theo jedenfalls nicht aus dem Haus der Erkenntnis zurück in deine Band-Welt locken.“
    „Und wie werde ich ihn wiederkriegen, deiner Meinung nach?“
    Yola zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Das ist seine Sache. Wenn ihm die Gruppe nichts mehr bringt, wird er aussteigen. Aber bis dahin würde ich versuchen, die Freundschaft irgendwie zu retten. Die Leute außerhalb der Gruppe waren für mich eine Zeit lang alle nur graue Mäuse. Menschen, die man nicht ernst nehmen muss. Am einfachsten waren für mich meine alten Freundinnen. Die dachten alle, ich wäre total bescheuert und haben mich links liegen lassen. Das passte gut zu dem Bild, das alle in der Gruppe von den Menschen außerhalb haben: Die verstehen nichts. Die sind Feinde. Die gehören nicht dazu. Viel schwieriger war es, als ich mich in einen Jungen verknallt habe, der nun mal nichts mit dieser Art von Sinnsuche am Hut hat. Da bin ich dann ins Grübeln gekommen. Und Theo scheint ja doch noch an dir zu hängen.“
    Sten sieht Yola an. „Wie kommst du denn darauf? Er hat mir in den letzten Tagen mindestens dreimal die Freundschaft gekündigt, hat mich beklaut, belogen und ist aus unserer Band ausgestiegen.“
    Yola lächelt wissend. Fast so wie die Leute vom Haus der Erkenntnis. „Ja, aber wem gehört denn das Schlagzeug, das ihr auf die Bühne gestellt habt?“
    Sten schweigt. Okay, das Schlagzeug gehört Theo. Das haben sie ja beim Konzert gesagt.
    „Warum hat er das noch nicht verkauft?“, hakt Yola nach. „Ich nehme mal an,
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