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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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irritiert. Allerdings schien ihm meine Empörung nicht entgangen zu sein. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so befrage, aber ich möchte sichergehen, dass gute Arbeit geleistet wird.«
    Ich ging um den Schreibtisch herum und ließ mich auf den Bürosessel fallen. »Wenn Sie sich entschieden haben, nehmen Sie doch bitte Platz und erzählen mir, worum es geht!« Ich war mit meinem Auftritt zufrieden.
    Wieder nahm er eine Auszeit von mehreren Sekunden. Dann setzte er sich ohne Zögern oder den Versuch zu machen, mit der Hand den Staub wegzuwischen, auf einen der Besucherstühle.
    »Mein Name ist Hermann Pobradt. Ich komme zu Ihnen, weil Sie einen Mord aufklären sollen.«
    Meine Hoffnungen auf einen netten Nebenverdienst schwanden dahin. »Für Morde ist die Polizei zuständig«, warf ich pflichtgemäß ein.
    »Für Morde wäre die Polizei zuständig«, korrigierte er mich. »In diesem Fall hat sie nichts unternommen, um den Mord aufzuklären. Rein gar nichts. Von vornherein wurde auf Selbstmord erkannt. Die Indizien wurden vertuscht oder nicht zur Kenntnis genommen. Nach drei Tagen stellte der Staatsanwalt das Ermittlungsverfahren ein. Aus und vorbei.«
    »Warum sollte die Polizei so etwas tun?«, fragte ich.
    »Weil ein Mächtiger dieser Stadt beteiligt war. Er sorgte im Stadtrat dafür, dass mein Bruder Aufträge zugeschoben bekam. Gegen eine entsprechende Provision natürlich, man könnte auch sagen: Schmiergeld. Aber mein Bruder war kein schlechter Mensch. Durch seine geldgierige Frau ist er da hineingerutscht. Sie hat ihn wieder und wieder gedrängt, die Mauscheleien mitzumachen, bis er schließlich einwilligte. Und dann konnte er sich selber nicht mehr in die Augen sehen. Er wollte aussteigen, verstehen Sie? Er wollte alles hinschmeißen, er wollte sogar an die Öffentlichkeit damit. Das konnte der andere nicht zulassen. Und meine Schwägerin, die geldgierige Hyäne, hat ihm dabei geholfen.«
    »Sie wissen also, wer der Mörder ist«, stellte ich sachlich fest.
    »Sie war's. Niemand anderer hatte dazu Gelegenheit. Und sie hat sich nach der Tat sehr verdächtig benommen.«
    Ich konnte nicht behaupten, dass ich noch auf dem Boden stand, den ich vorübergehend gewonnen hatte. Seine Stimme war zu einem mächtigen Donnern angeschwollen, dazu funkelte er mich mit seinen Brennglasaugen an. Außerdem bildete ich mir ein, den Namen Pobradt schon einmal gehört zu haben.
    »Sagen Sie, was für eine Art Unternehmen führte Ihr Bruder?«
    »Ein Bauunternehmen.«
    »Pobradt Hoch- und Tiefbau? Am Horstmarer Landweg?«
    Er nickte. »Sie leitet die Firma noch immer. Das heißt, sie lässt leiten, während sie sich auf Teneriffa in der Sonne aalt.«
    Ich hatte in letzter Zeit überhaupt nichts von einem Selbstmord in diesem Zusammenhang gelesen.
    Mit einem kurzen Stoß pfiff er Luft durch die Nase. »In letzter Zeit … Wer sagt denn, dass der Mord in letzter Zeit passiert ist. Mein Bruder ist seit zwanzig Jahren tot.«
    Automatisch griff ich zu meinen Zigarillos und steckte mir einen an. Dann schaute ich dem Rauch hinterher. Etwas Klügeres fiel mir nicht ein.
    »Was ist? Wollen Sie den Fall übernehmen?«
    »Sie meinen, ich soll einen Mord aufklären, der vor zwanzig Jahren geschehen ist?«, schob ich die Antwort auf die lange Bank.
    »Glauben Sie, ich komme aus Langeweile zu Ihnen? Da könnte ich mit meiner Zeit etwas Besseres anfangen.«
    Ich überhörte die Anspielung. »Warum haben Sie denn in der Zwischenzeit nichts unternommen?«
    »Weil ich an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz geglaubt habe. Wie soll man als einfacher Staatsbürger auf den Gedanken kommen, dass die Justiz die Hure der Macht ist, wie es einmal ein deutscher Philosoph ausgedrückt hat? Jahrelang habe ich versucht, den normalen Rechtsweg zu beschreiten. Ich habe gekämpft, das können Sie mir glauben. Erfolglos. Ich bin gegen eine Mauer aus Ignoranz und moralischer Haltlosigkeit gelaufen. Jetzt sind mir die Mittel egal. Ich nehme alles, wenn nur die Wahrheit ans Licht kommt.«
    Mit alles war offensichtlich ich gemeint. In seinem prophetischen Zorn steckte allerdings keine Spur von Ironie. Er meinte jedes Wort genauso, wie er es sagte.
    »Ich bin einverstanden«, erklärte ich ihm. Vielleicht würde ich zehn Tage lang in alten Akten wühlen und dann den Fall für unlösbar erklären. Das brachte 1.500 Mark plus Spesen.
    »Mein Tarif ist 150 Mark am Tag, plus Spesen. Zwei Tagessätze im Voraus. Sollte die Arbeit von zwei vollen Tagen nicht nötig sein,
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