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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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wie?«
    »Schön, dass wir nicht mehr auf verschiedenen Seiten kämpfen.«
    Sie lachte. »Tatsächlich, so klingt es besser.«
    »Ist meine Spezialität, die positive Weltsicht«, sagte ich um die Pfeife herum. »Die negative Wirklichkeit holt einen früh genug ein.«
    Wir sahen uns an, einen Moment länger, als es eine normale Gesprächssituation erfordert. Dann entkorkte ich die zweite Flasche Rotwein.
    »Noch ein Glas?«, fragte ich.
    Wir saßen da, tranken den Wein und genossen die positive Weltsicht. Und irgendwann war die Distanz zwischen uns geschrumpft, auf nichts weiter als das bisschen Kleidung, das wir am Leib trugen. Und auch das wurden wir los, als wir ins Schlafzimmer überwechselten.
    Irgendwann später guckte sie mir tief in die Augen. »Ich bin ja so froh, dass diese ganze Geschichte vorüber ist.«
    »Du meinst, dass sie so vorüber ist.«
    Ihre Nasenwurzel drückte Erstaunen aus.
    »Es hätte auch jemand anderen treffen können, nicht wahr?«, setzte ich sanft fort.
    Sie rückte ein paar Millimeter von mir weg: »Wen denn?«
    Es war irgendwie nicht der Ort und nicht die Gelegenheit für die Wahrheit. Ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich damit anfangen musste.
    »Natürlich weißt du, wer deinen Vater erschossen hat. Ganz bestimmt nicht Hillerich.«
    Aus den Millimetern wurden Zentimeter.
    »Was? Was soll das? Willst du mir Angst machen?«
    Ich versuchte ein Lachen, das allerdings an einen heiseren Wellensittich erinnerte. »Hör auf, mir etwas vorzuspielen! Dein Bruder hat euren Vater gehasst. Er liebte seine Mutter, wie es Jungen in dem Alter tun, und wollte sie von dem Quälgeist befreien. Außerdem war er der Einzige, der das Gewehr nehmen und laden konnte, ohne dass dein Vater Verdacht schöpfte.«
    Sie drehte sich endgültig um. Und sprach zu dem Kissen, das unter ihrem Mund lag: »Warum hast du das nicht der Polizei erzählt?«
    Ich betrachtete ihren schlanken weißen Hals. Noch vor fünf Minuten hätte ich ihn ohne Bedenken geküsst.
    »Warum sollte ich? Die jetzt gefundene Lösung ist doch für alle Seiten akzeptabel, oder?«
    Mit heftigem Schwung kehrte sie zu mir zurück. Wenn auch mit einem ganz anderen Glanz in den Augen. »Du willst uns erpressen? Ist es das?«
    »Werd bitte nicht moralisch! Du hast mich besucht und mit mir geschlafen, um mich einzuwickeln. Wie würdest du das nennen?«
    Einen Moment lang dachte ich, sie würde mir die Augen auskratzen. Dann hatten wir unsere geschäftliche Grundlage wiedergefunden.
    »Ich habe es geahnt«, sagte sie mit schleppender Stimme. »Ich habe es die ganze Zeit geahnt. Du weißt, dass man meinem Bruder nichts anhaben kann. Er war damals nicht mal sechzehn. Trotzdem möchten wir vermeiden, dass etwas an die Öffentlichkeit dringt. Meine Mutter bietet dir 20.000 Mark, einmalig.«
    Ich schloss die Augen und dachte eine Weile nach. Ein neues Auto konnte ich schon brauchen.
     
     
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