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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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diesem Morgen ein klarer Denker. Für die Mittel und Wege, die mich zu meinem Ziel hinführten, brauchte ich allerdings etwas länger.
    Als Ersten rief ich Kurz an. Er war ziemlich sauer, dass er wegen mir seinen Segeltörn verpasst hatte.
    »Kurz«, sagte ich, »dein Segeltörn ist ein Fliegendreck im Vergleich zu der Scheiße, in der ich stecke. Die Polizei hält mich für einen Mörder und sucht nach mir. Vielleicht entwickelst du mal ein bisschen Fantasie, wie du mich da rausholen kannst!«
    Er entwickelte keine Fantasie. »Als dein Anwalt rate ich dir, dich zu stellen. Solange du untertauchst, machst du dich verdächtig. Wenn du möchtest, können wir auch gemeinsam zur Polizei gehen.«
    »Lass dieses Lehrbuchgequatsche!«, furzte ich ihn an. »Sobald Merschmann mich in seinen Klauen hat, lässt er mich nicht mehr los. Jeder Kriminalbeamte, der eine Spur verfolgt, die mich entlasten könnte, wird von ihm sofort zur Verkehrspolizei versetzt. Ich gehe nur ins Polizeipräsidium, wenn ich den Mörder vor mir herschubse.«
    »Wie du meinst«, sagte Kurz ohne Überzeugung. Er war wirklich eine große Hilfe.
    »Auf ein bisschen Störfeuer können wir trotzdem nicht verzichten«, erklärte ich ihm. »Ruf im Präsidium an und erzähl denen, warum ich mich abgesetzt habe! Derjenige, der sie gestern Abend alarmiert hat, muss der Mörder sein. Sag ihnen das so lange, bis sie versprechen, sich darum zu kümmern!«
    »Ist das alles, was du in der Hand hast?«
    »Nein, ich habe noch einen winzigen Strohhalm. Hillerich war vor zwanzig Jahren der Urheber einer großen Schweinerei. Karl Pobradt wollte da nicht mitmachen und starb kurz darauf. Den Beweis, dass Pobradt sich von Hillerich trennen wollte, habe ich seit vorgestern in der Tasche. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen.«
    Kurz war noch immer nicht überzeugt, aber wenn ich starke Kopfschmerzen habe, kann ich nicht mal den Papst davon überzeugen, dass der Teufel nach Schwefel stinkt.
    Von nun an ging ich extrem unauffällig vor. Ich lieh mir Thomas' Rennrad und reihte mich in die Scharen münsterscher Fahrradfahrer ein, die die Promenade unsicher machen. Zusammen mit blutjungen Studenten kreuzte ich die Weseler Straße und warf einen Blick auf die alte Mensa, in der ich manches Schnitzel Godard verspeist hatte. Der damalige Küchenchef war berühmt für seine langweilige Kochkunst und seine kulturell anspruchsvolle Namensgebung.
    Entlang des Aasees legte ich einen Sprint ein, sodass ich erst mal verschnaufen musste, bevor ich auf die pobradtsche Klingel drückte.
    Die Hausherrin öffnete persönlich. Sie sah weder erfreut noch erstaunt noch erbost aus. Sie war so sachlich wie ein Kellner in einem Luxusrestaurant, der einen Gast mit unpassender Krawatte bedient.
    »Ich hörte, Sie haben Ärger«, schnarrte sie, während sie vorausging.
    »Das hat Ihnen sicher Ihr Freund Merschmann erzählt.«
    »Mein Freund?«, fragte sie ohne Interesse.
    »Nun, er hält Sie doch auf dem Laufenden, was mich und meine Aktivitäten angeht.«
    »Kann schon sein.« Sie nickte mit dem Kopf in Richtung eines Sessels.
    »Dann wissen Sie sicher auch, dass Kurt Hillerich das Zeitliche gesegnet hat«, fuhr ich fort.
    »Und dass Ihr Wagen vor seiner Tür parkte. Aber seien Sie versichert, dass ich Ihnen keine Vorwürfe mache. Hillerich war eine Ratte.«
    Die Dame formulierte heute erstaunlich direkt.
    »Vorwürfe sind auch völlig unbegründet«, sagte ich. »Ich habe ihn nicht auf dem Gewissen.«
    »Wie dem auch sei, er hat ein solches Ende verdient.« Sie deutete ein gnädiges Lächeln an. »Aber um mir das zu sagen, haben Sie sich doch nicht hier hinaus bemüht, oder?«
    Ich nickte bedeutungsschwanger. »Ich habe den dritten Abschiedsbrief, den an Kurt Hillerich.«
    Unter ihrem Make-up wurde sie einen Hauch blasser.
    »Oder sollte ich besser sagen: den sogenannten dritten Abschiedsbrief. Er ist zwar an demselben Tag geschrieben worden wie die anderen beiden, aber von einer Selbsttötungsabsicht ist darin keine Rede. Im Gegenteil, Ihr Mann scheint seine lebendige Zukunft deutlich vor Augen gehabt zu haben. Eine Zukunft, die er ohne Kurt Hillerich plante.«
    Sie sagte nichts, kaute nur ein bisschen an ihrer Unterlippe.
    »Es gab einen konkreten Anlass, warum er die Zusammenarbeit mit Hillerich aufkündigte«, redete ich weiter. »Hillerich hatte ihm wieder einmal ein billiges Grundstück zugeschustert, diesmal in Mecklenbeck, und Ihr Mann hat dort eine
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