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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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»Nicht ganz. Sie haben etwas, was mir gehört.«
    »Das ist mehr wert als eine läppische Anzeige wegen Hausfriedensbruch.«
    »Der Brief nützt Ihnen gar nichts.«
    Ich zeigte ihm ein sardonisches Grinsen. »Nicht alle Zeitungen sind Ihnen so hörig wie die münsterschen Tageszeitungen. Was halten Sie denn von einem kleinen Artikel im Spiegel oder stern? «
    Wenig, wie ich dem unwillkürlichen Zucken in seinem Gesicht entnahm.
    »Sie sind ein Schwein, Wilsberg«, flüsterte er mit heiserer Stimme. »Aber jedes Schwein hat seinen Preis. Nennen Sie Ihren!«
    »Die Wahrheit«, sagte ich ungerührt.
    »Was?«
    »Wenn Sie mir sagen, wie Karl Pobradt ums Leben gekommen ist, kriegen Sie den Brief zurück.«
    »Kein Geld?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich habe Sie anders eingeschätzt. Aber was soll's? Haben Sie den Brief dabei?«
    Ich verneinte erneut, mit Hinweis darauf, dass ich die Hausdurchsuchung vorausgesehen hatte. Wir verabredeten, dass ich ihn später am Tag besuchen würde – mit dem Brief.
     
    Um neun Uhr abends stand ich vor dem Haus der Hillerichs. Obwohl im Innern Licht brannte, löste mein Klingeln und Klopfen keine Reaktion aus. Routinemäßig drückte ich auf die Klinke der Haustür. Sie war unverschlossen.
    Natürlich hätte ich nicht hineingehen sollen. Es roch nach einer Falle, zumindest für jemanden, der bis vor fünf Stunden im Polizeipräsidium gesessen hatte. Wenn ich ein richtiger Detektiv gewesen wäre, hätte ich immerhin meine Pistole ziehen können, als ich den Hausflur betrat. Genutzt hätte mir das auch nichts.
    Vergeblich suchten meine überreizten Sinne nach einer Betätigung. Das Haus war still, absolut still. Automatisch wählte ich den mir bekannten Weg und öffnete Hillerichs Arbeitszimmer. Er saß hinter seinem Schreibtisch, den Oberkörper nach vorne gebeugt. Der Kopf lag seitlich auf der Schreibtischunterlage. Mit glasigem Blick guckte er mich an. Ich sparte mir die Begrüßung, als ich das Loch an seiner linken Schläfe bemerkte. Es war rund und schwarz und tödlich. Ein schmaler Blutfaden klebte darunter.
    Die Pistole zu sehen und das Problem zu erkennen, dauerte einen Augenblick. Sie lag nämlich vor meinen Füßen. Kein Selbstmörder wirft die Pistole, mit der er sich erschossen hat, in hohem Bogen weg.
    Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, machte sich ein anderes Problem bemerkbar. Draußen hielten zwei Autos mit quietschenden Reifen. Aufschneider fahren jedoch meistens allein und nicht in Rudeln. Nur Bullen radieren im Konvoi ihre Reifen ab. Jetzt war Entschlussfreudigkeit und Schnelligkeit gefragt. Ich entschloss mich und handelte wie ein gehetztes Kaninchen. Den Flur entlang zur Hintertür, durch die ich gestern Abend eingestiegen war. Hier hielt ich mich nicht lange mit dem Schloss auf. Ein kräftiger Tritt und die Tür knallte krachend gegen die Mauer. Dann rannte ich, was meine malträtierten Knochen hergaben. Eine heisere Kommandostimme brüllte in nicht allzu weiter Entfernung Befehle. Wahrscheinlich machte ich gerade den dritten oder vierten Fehler innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Zu viele für einen Privatdetektiv, der auf die vierzig zugeht, über fünf Jahre Berufserfahrung und eine juristische Ausbildung verfügt und einen gewissen Lebensstandard zu verteidigen hat. Allein der Gedanke an das finstere Loch im Polizeipräsidium und einen Merschmann, der mir erneut die Fresse polieren würde, hielt mich davon ab, zurückzukehren und mich meinen Verfolgern zu stellen.
    Sie hatten mittlerweile das Haus umstellt und forderten mich über Megafon auf, mit erhobenen Armen herauszukommen. Am Tonfall glaubte ich, Kommissar Pfeiffer zu erkennen. Ich stolperte über einen Acker und trat etliche Nutzpflanzen platt, als sie mich zum letzten Mal warnten. Während der Erstürmung der hillerichschen Räume verschrammte ich mir die Finger an einem Brombeerstrauch.
    Meinen Wagen konnte ich vergessen. Der stand aufreizend unvorsichtig vor der Hillerichschen Villa. Also schlug ich mich bis zum Ortskern von Hiltrup durch. Am Taxenstand herrschte um diese Zeit Flaute. Ich erwischte einen gesprächigen Fahrer, der von den Schwierigkeiten seiner Karriereplanung berichtete. Trotz Banklehre und beinahe abgeschlossenem Betriebswirtschaftsstudium hatte sich noch kein Konzern gefunden, der ihm eine Zusage für eine leitende Position geben wollte. Ich versicherte ihm, dass ich die mangelnde Flexibilität der deutschen Wirtschaft schon immer scharf verurteilt hätte. Zum Dank
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