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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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den Keller. Thomas war zur Arbeit gefahren und die Kinder guckten bei einem Freund der Mutter alte Videos. Ich warf die Kaffeemaschine an und rauchte einen Zigarillo. Meine Hände zitterten ganz leicht.
    Nach drei Tassen Kaffee bekam ich Bauchschmerzen, die gut zu meinen Kopfschmerzen passten. So entsprach meine innere Lage der äußeren. Und plötzlich hatte ich wieder mal eine gute Idee. Ich rief beim Rechtsmedizinischen Institut an, gab mich als Kommissar Hoppenstedt aus und bekam eine wirklich interessante Information.

XVII
     
     
    Das öffentliche Nahverkehrssystem ist in Münster vermutlich nicht komplizierter als in anderen Städten. Doch für jemanden, der gewohnt ist, sich im Auto oder auf dem Fahrrad fortzubewegen, bereitet es schon einige Schwierigkeiten, die höhere Logik der Linienpläne und Preiszonen zu durchschauen und den Fahrkartenautomaten entsprechend zu füttern. Da ich unbedingt vermeiden wollte, als Schwarzfahrer enttarnt zu werden, gab ich dem Busfahrer mit schüchternem Lächeln das Fahrziel an und erntete eine Ladung wortloser Verachtung.
    An der Dorfkirche von Amelsbüren stieg ich aus. Es war Nacht geworden und ein kühler Wind pfiff um die Backsteinbauten. In den drei Dorfkneipen hockten die Säufer am Tresen und brachten ihren Alkoholspiegel auf den Stand vom gestrigen Abend. Die Straßen waren leer und sauber, die Vorgärten naturgewordene Ordnungsneurosen. Wer hier wohnte, hatte sich selbst und seine Welt im Griff, notfalls mit einer Handvoll Schlaftabletten und Angstlöser.
    Ich schellte. Das Flurlicht ging an und eine Frauenstimme sagte durch die geschlossene Tür: »Wer ist da?«
    »Georg Wilsberg.«
    »Was wollen Sie?«
    »Mit Ihnen sprechen.«
    Weder öffnete sich die Tür noch wurde das Gespräch fortgesetzt. Dafür entfernten sich Schritte. Ich wartete. Der nächste Bus fuhr sowieso erst in einer halben Stunde.
    Nach einer Minute kamen die Schritte zurück, ein Schlüssel drehte sich im Schloss und die schwere Eichentür gab den Blick frei auf eine hell erleuchtete Diele.
    »Kommen Sie herein!«, sagte Frau Hillerich. Auf ihren Wangen leuchteten zwei kleine roten Flecken. Ansonsten war sie so lebendig wie die Frau von der telefonischen Zeitansage. Hintereinander gingen wir in ein Wohnzimmer, in dem dunkle Brauntöne dominierten. Auf dem Tisch standen zwei Gläser.
    Sie wiederholte ihre Frage von vorhin.
    Ich räusperte mich, um den Frosch im Hals loszuwerden. »Sie haben den Selbstmord Ihres Mannes vertuscht. Sie wussten, dass er mit mir verabredet war. Also haben Sie den Revolver abgewischt und auf den Boden geworfen. Dann haben Sie die Polizei angerufen, in der Hoffnung, dass man mich hier erwischen würde. Was ja auch fast gelungen wäre.«
    Ihre grauen Augen krallten sich in die meinen. »Ich wüsste nicht, warum mein Mann sich hätte umbringen sollen.«
    »Weil er schwer krank war. Er hatte Krebs und höchstens noch ein halbes Jahr zu leben. Außerdem ahnte oder befürchtete er, dass ich die Geschichte mit den verseuchten Grundstücken an die Presse weitergeben würde. Und seine letzten Lebensmonate wollte er nicht in Schimpf und Schande verbringen.«
    Ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass ich richtig lag.
    »Selbstmord gilt in Ihren Kreisen immer noch als unehrenhaft«, fuhr ich fort. »Außerdem hassen Sie mich, weil Sie mich für seinen Tod mitverantwortlich machen. Deshalb arrangierten Sie alles so, dass der Verdacht auf mich fallen musste.«
    Ein faltiges Lächeln umspielte ihren Mund. »Und nun, junger Mann, was fangen Sie an mit Ihrem Wissen?«
    »Wir gehen zur Polizei und erzählen es ihr.«
    »Wir?«
    »Ja«, sagte ich. »Sie nehmen Ihre Aussage zurück und sagen die Wahrheit.«
    »Sonst?«
    »Sonst tue ich es.«
    Das maliziöse Lächeln verstärkte sich. »Wird man Ihnen glauben?«
    »Die Polizei ist nicht in ihrer Gänze ein blöder Sauhaufen. Und sie besteht auch nicht nur aus Merschmännern.«
    Das war das Stichwort. Mit lautem Klacken sprang hinter mir eine Tür auf. Als ich den Kopf drehte, stand er im Türrahmen. In seiner rechten Hand glänzte eine handliche Dienstwaffe.
    »'n Abend, Herr Merschmann«, sagte ich. »Ich habe mir schon gedacht, dass Frau Hillerich nicht aus zwei Gläsern trinkt.«
    »Cleveres Bürschchen«, grunzte Merschmann und trat ein paar Schritte näher. »Doch leider nicht clever genug.«
    Ich seufzte. »Offen gestanden, hatte ich gehofft, dass der Besuch etwas harmloser wäre. Eine Cousine vielleicht oder eine junge
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