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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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erhalten Sie den Rest zurück. Sie bekommen jeden zweiten Tag einen mündlichen und am Ende einen schriftlichen Bericht.«
    Er trug den Betrag auf einem Scheck ein: »Setzen Sie einen Vertrag auf!«
    Ich zog ein Auftragsformular aus der rechten oberen Schublade und füllte es aus. Mit einem goldenen Füllfederhalter warf er eine überdimensionale Unterschrift aufs Papier.
    »Sie müssen mir noch einige Einzelheiten erzählen«, sagte ich, während ich ihm die Durchschrift überreichte und das Original in der rechten unteren Schublade verstaute.
    »Fragen Sie! Machen Sie sich Notizen!«
    »Wenn Sie gestatten, werde ich das Gespräch auf Band aufnehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nicht gleichzeitig zuhören und schreiben kann.«
    Mit einer unwirschen Kopfbewegung gab er zu verstehen, dass ihm jeder weitere Zeitaufschub unwillkommen sei.
    Sein Bruder sei mit einem Kopfschuss gefunden worden, allerdings nicht gleich tot gewesen, berichtete Pobradt. »Können Sie sich vorstellen, dass ein passionierter Jäger, wie mein Bruder einer war, keine sichere und schnelle Tötungsart kennt?«
    Ich konnte es mir nicht vorstellen, besaß aber auch wenig Jagderfahrung, ja noch nicht einmal einen Waffenschein. Klienten, die mich danach fragen, pflege ich zu sagen, dass ich mich ohne Waffe sicherer fühle. Immerhin kann mich niemand in Notwehr erschießen.
    »Und meinen Sie, Wilma, diese Schlampe, hätte sofort einen Krankenwagen gerufen?«
    Langsam gingen mir seine rhetorischen Fragen auf den Nerv. Ich machte ihm klar, dass ich nicht an einer Quizsendung teilnehmen wollte.
    »Nein«, antwortete er an meiner Stelle, »sie hat gewartet, bis er langsam verblutet war. Der Polizei hat sie später erzählt, sie habe einen Schock erlitten. Dann ist sie geschickterweise zu einem Nachbarn gelaufen. Der gute Mann, ein nicht gerade mit übermäßiger Intelligenz gesegneter Mensch, hat sich zuerst die Sauerei angesehen, bevor er etwas unternahm.«
    »Das sind aber doch verständliche Reaktionen«, warf ich ein.
    »Verständlich, wenn man den teuflischen Plan dahinter sieht«, knurrte Pobradt mich an.
    »Ihre Schwägerin, die Frau des Toten, war also anwesend, als es passierte?«, versuchte ich, ihn auf die sachliche Schiene zurückzubringen.
    »Sie sagte, sie sei im Nebenzimmer gewesen. Dafür hat sie natürlich keine Zeugen.«
    Ich betrachtete eine Zeit lang interessiert zwei kleine Wunden an meiner rechten Hand. »Gab es einen Abschiedsbrief?«
    »Drei.«
    »Das sind ziemlich viele für einen vorgetäuschten Selbstmord.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ob einen oder drei, was macht das schon aus? Wer einen fälscht, kann auch drei fälschen.«
    »An wen waren die Briefe gerichtet?«
    »An sie, an mich und an Hillerich.«
    »Wer ist Hillerich?«
    »Sie kennen Kurt Hillerich nicht?«
    Schon wieder eine dieser Fragen. Ich erklärte ihm, dass ich erst seit vierzehn Jahren in Münster lebte.
    »Kurt Hillerich, Großbauer und früherer Bürgermeister von Hiltrup. Nach der Eingemeindung Mitglied des Rates der Stadt Münster. Planungsausschuss, wenn Ihnen das was sagt.«
    Ausnahmsweise sagte mir das mal was. »Der, mit dem Ihr Bruder die Mauscheleien …?«
    »Richtig«, lobte er mich für meine schnelle Auffassungsgabe.
    »Was stand denn in den Briefen?«
    Wortlos griff er in die linke Brusttasche seines Jacketts und zog einen zerknitterten Zettel hervor. Auf dem stand in krakeliger, nach links gebeugter Schrift: Lieber Hermann, ich bin das dauernde Theater leid. Verzeih mir bitte! Alles Gute auch für Mutter und die Unsrigen! Dein Karl.
    »Was für ein Theater ist damit gemeint?«
    »Na, der ständige Streit mit ihr natürlich. Aber sehen Sie, auch das ist wieder ein Hinweis darauf, dass die Briefe gefälscht sind. Theater würde er das nie nennen. Das ist einer ihrer Ausdrücke.«
    »Hat er in den beiden anderen Briefen einen wesentlichen Hinweis gegeben?«
    »Ich glaube, Sie verstehen mich nicht richtig. Er hat überhaupt keinen Hinweis gegeben. Denn die Briefe stammen nicht von ihm. Wer jahrelang mit einem Menschen zusammenlebt, sollte in der Lage sein, dessen Schrift zu kopieren.«
    »Sie geben also zu, dass die Schrift in diesem Brief der Ihres Bruders zum Verwechseln ähnlich sieht?«
    »Junger Mann, ich bezahle Sie nicht, damit Sie mir dieselben Fragen stellen, die mir damals auch dieser Bürokrat von Staatsanwalt gestellt hat.«
    Das konnte ja heiter werden. Von wegen leichtverdientes Geld. Langsam sehnte ich mich nach meinen
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