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GK460 - Das Geisterdorf

GK460 - Das Geisterdorf

Titel: GK460 - Das Geisterdorf
Autoren: A.F.Morland
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Wie eine Insel sah der Palast aus, in dem Phorkys wohnte. Umspült von blauem Wasser. Bewacht von grauenerregenden Bestien. Ausgestattet mit Gold und Edelsteinen. Kein Prunk war dem Vater der Ungeheuer zu protzig. Er saß auf einem Thron, zu dem drei Stufen hinaufführten. Dahinter war blutroter Samt gespannt. Der Thron bestand aus bleichen Menschenknochen. Die Armlehnen mündeten in grinsende Totenschädel, während die Rückenlehne von gekreuzten Knochen überragt wurde, auf denen schwarzmagische Symbole zu erkennen waren.
    Ein hohles Gelächter entrang sich Phorkys’ Kehle. Ja, er wollte wieder Angst und Schrecken auf der Erde verbreiten. Ihm boten sich viele Möglichkeiten. Er dachte an Rufus, den Dämon mit den vielen Gesichtern. Mit ihm hatte er sich einst verbündet, um den Dämonenhasser Tony Ballard und dessen Freund Mr. Silver zu vernichten. [1] Es war ihnen nicht gelungen. Bisher hatte Phorkys dieses Ziel nicht erreicht, und er hatte sich nach diesen Niederlagen wieder mehr zurückgezogen.
    Und er war in der Zeit, in der man nichts von ihm hörte, nicht untätig gewiesen. Er hatte laufend neue Ungeheuer geschaffen und sie den Menschen entgegengeschleudert, denn das war seine Aufgabe. Ihr mußte er in den unauslotbaren Tiefen des Grauens gerecht werden. Das erwartete Asmodis, der Fürst der Finsternis, von ihm.
    Und er tat es gern.
    Er fühlte sich als ein höllischer Künstler, der nach eigenen Ideen Wesen modellierte. Manchmal hüllte er seine Ungeheuer in menschliche Körper ein, damit man sie nicht sofort erkennen konnte. Um so schlimmer war dann die Überraschung, wenn aus diesen Menschen das wahre Wesen hervorbrach.
    Phorkys erhob sich. Aus dem Marmorboden schossen silberne Flammen. Sie stellten Phorkys’ Leibgarde dar und begleiteten ihn nun auf seinem Weg in einen anderen Raum.
    In einem Sarkophag aus Höllengestein waberte weißer Nebel.
    Für einige Zeit hatte Phorkys den Ehrgeiz aufgegeben, etwas Besonders leisten zu wollen. Er hatte sich von Rufus dazu überreden lassen, gegen Tony Ballard anzutreten, und er bereute den Entschluß von damals. Die Zeichen hatten für sie nicht gut gestanden. Das hätten sie beachten müssen.
    Aber noch war nicht aller Tage Abend.
    Vielleicht kam es noch einmal zu einer Allianz des Grauens, zu einem Zusammenschluß von Tony Ballards erbittertsten Erzfeinden, Phorkys Rufus und Atax. Einem solchen Bündis wäre Phorkys nicht abgeneigt, denn Einigkeit macht stark, und mit Stärke kann man viele Siege auf seine Fahnen heften.
    Der Vater der Ungeheuer breitete seine Hände mit den knotigen Fingern über dem Sarkophag aus und knurrte unverständliche, magische Worte. Unruhe kam in die weißen Nebelschlieren. Sie bäumten sich auf und stiegen in dem Totenbehälter aus Höllengestein langsam hoch, als würden sie von unten durch einen festen Körper verdrängt.
    Phorkys grinste diabolisch. Gemeinheit, Grausamkeit und Haß pflanzte er in das Wesen, das unter dem weißen Nebel entstand. Er faßte hinein in die undurchdringlichen Schwaden und berührte die Gestalt. Er modellierte sie nach seinen Vorstellungen und verscheuchte den Nebel schließlich mit einem scharfen Befehl.
    Die Schwaden krochen über den Sarkophagrand und flossen an der Außenseite des Steins herunter. Sie lösten sich von der Gestalt, die Phorkys geschaffen hatte. Stolz schwellte die Brust des Vaters der Ungeheuer. Er war mit dem zufrieden, was er sah. Sein abstoßendes Maul öffnete sich. Er beugte sich über den Totenbehälter und hauchte dem Wesen die Seele ein.
    »Steh auf!« befahl er.
    Die Gestalt bewegte sich ungelenk, setzte sich langsam auf und öffnete die Augen. Sie entstieg dem Sarkophag und blieb daneben stehen, bereit, weitere Befehle zu empfangen.
    »Trage das Gesetz der Hölle in die Welt!« verlangte Phorkys. »Bringe Leid und Not über die Menschen! Ängstige sie! Sie sollen Angst vor der Nacht haben und am Tag die Erschöpfung des entbehrten Schlafes spüren! Suche als mein Sendbote die Welt auf, und lebe nach meinem Geist, damit ich auf dich stolz und mit dir zufrieden sein kann!«
    ***
    Es brannte Licht in der kleinen Druckerei. Auf den blechbezogenen Arbeitsplatten stand der Bleisatz von Flugblättern, die der Druckereibesitzer noch in dieser Nacht fertigstellen wollte.
    Martin Wyngard blickte auf seine Uhr. Schon fast Mitternacht. Der Drucker gähnte. »Geisterstunde«, murmelte er, und er mußte darüber lächeln. Als Kind hatte Mitternacht für ihn etwas Unheimliches an sich
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