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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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Verfügung war eine billige, nicht wirklich passende Feuerleiter nachträglich angebaut worden. Ich zog an der unteren beweglichen Leiter, sah die Konstruktion über mir gefährlich schwanken, Schrauben, die arg strapaziert wurden. Kletterte hinauf, dachte dabei an all die Filme, in denen Hängebrücken vorkamen.
    Ich hatte das Fenster von 24 erreicht und wollte gerade nachsehen, ob es vielleicht offen war, als ich von einem
Schuss überrascht wurde. Ich trat das Fenster ein und sprang hinein.
    Durch die Badezimmertür sah ich Nabors auf dem Boden liegen. Keine Ahnung, wie übel es ihn erwischt hatte. Ein junger Latino stand mit einer Kanone in der herunterhängenden Hand über ihm. Er blickte zu mir auf, seine Nase lief, die Augen waren leer wie zwei Hälften einer Pekannussschale. Wie die Typen, die schon zu lange im Land sind und einfach die Schotten dicht gemacht haben, weil das der einzige Weg für sie ist, damit fertig zu werden. Ich erschoss ihn.
    Das alles passierte in vielleicht zwanzig Sekunden, und noch Jahre später zählte ich es in der Erinnerung aus, eintausend, zweitausend … Als es passierte, schien es eine Ewigkeit zu dauern, besonders dieser letzte Moment, als er dort zusammengesunken an der Wand saß, während ich immer noch mit meiner.38er S&W in der ausgestreckten Hand da stand. Nur die rechte Hand und nicht der offiziell trainierte und gebilligte Griff, ohne zu zielen, allein aus dem Bauch heraus schießen, so wie ich zu Hause das Schießen gelernt hatte, die einzige Methode, die für mich infrage kam.
    Ich hatte ihn vielleicht zwei, drei Zentimeter neben der Mitte seiner Brust erwischt. Als ich mich über ihn beugte, war da einen Augenblick lang ein leises Pfeifen, Blut sprudelte in Bläschen aus der erstaunlich kleinen Wunde, bevor alles aufhörte. Er hatte sich drei Kruzifixe um den Hals geschlungen, darunter ein tätowierter Stacheldrahtkranz. Nabors lag da und jammerte seinem verlorenen Barbecue hinterher. Ein Mann wie er sollte mit so einer Bemerkung
abtreten. Aber er trat nicht ab, nicht diesmal. Ich nahm das Telefon, gab »Officer angeschossen« und den Ort durch. Erst da fiel mir ein, dass ich den Rest der Wohnung noch nicht gesichert hatte.
    Aber wie die Dinge lagen, gab’s da nicht viel zu sichern. Ein stinkendes Bad, ein Flur mit Allwetter-Teppichboden. Ein Teppich, dessen Ränder ausgefranst waren wie Wildleder. Überall Kisten und Kartons, die meisten ausgepackt, manche aufgerissen und durchwühlt, der Inhalt quoll halb heraus. Das Mädchen steckte in dem hinteren Schlafzimmer in einem Kleiderschrank, die Arme an die Stange gebunden, die Füße mit Wäscheleine gefesselt, die durch aufgestapelte Hohlblocksteine gezogen war. Ihre Brüste hingen traurig herab, Blut tröpfelte ihre Schenkel hinunter, und ihre Augen leuchteten. Sie war vierzehn.

Kapitel Drei
    »Ich seh kein Land mehr«, sagte Sheriff Bates. »Sie sind hier in der Gegend aufgewachsen, stimmt’s?«
    »Fast.«
    »Dann wissen Sie ja, wie’s ist.«
    Wir saßen in seinem Jeep, fuhren zurück in die Stadt. Feldwege mit Kratern übersät wie das Gesicht eines Teenagers. Jetzt verließen wir die Bäume und bogen auf abgefahrenen Asphalt ein. Das unter dem Armaturenbrett montierte Funkgerät knackte.
    »An den Wochenenden beenden wir Kneipenschlägereien und buchten betrunkene Autofahrer ein. Vielleicht geben ein paar Kids jemandem Geld, der ihnen eine Kiste Bier kauft, und dann machen sie Party, bis sie irgendwen nerven. Oder ein vom Pech verfolgter Kerl klettert in ein Fenster und kommt mit einer Tüte voller Besteck, verschreibungspflichtigen Medikamenten, einem Laptop oder einem Fernseher wieder raus. Nicht, dass er irgendwohin damit gehen könnte. Alle Jubeljahre schlägt ein Ehemann seine Frau dies eine Mal zu viel und hat plötzlich ein Fleischermesser in der Schulter stecken oder eine Bratpfanne auf dem Schädel.«
    Das Radio knackte wieder. Hörte sich für mich nicht anders an als das vorherige Geknacke, aber Bates nahm das Mikro zur Hand.
    »Ich bin auf dem Rückweg.«

    »Zehn-Vier.« Der Typ am anderen Ende der Leitung liebte diese Vokale, rollte sie im Mund wie Murmeln.
    Bates hängte das Mikro wieder zurück an den Bügel.
    »Don Lee. Sie werden ihn schon bald kennenlernen. Kann’s kaum erwarten, nach Hause zu seinem Six-Pack und seiner neuen Frau zu kommen, sehr wahrscheinlich genau in dieser Reihenfolge. Wie spät ist es eigentlich?«
    »Kurz nach acht.«
    »Mein Monat, die Nächte abzudecken.
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