Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh
Autoren: Ilaria Palomba
Vom Netzwerk:
Stimme.
    Stella erwacht plötzlich, während eine weiß angezogene Frau sie ohrfeigt.
    Wo zum Teufel bin ich?
    Sie hängt am Tropf.
    Sie sieht verschwommene Lichter. Die Brust, die Rippen, die Beine, alles tut weh.
    Sie fühlt verschwitzte Hände in ihrem Nacken. Zwei große Brüste hängen ihr im Gesicht, und zwei warme Arme schließen sich um ihren Hals und ihre Schulter.
    »Stella, meine Liebe!«, weint ihre Mutter.
    Kann mir jemand einen Scheißspiegel geben, ich muss sehen, wie ich aussehe.

FREUNDINNEN
    Tina ist unten vor Stellas Haus, sie beißt sich auf die Lippen, blickt sich um, führt den Finger zur Klingel und zieht ihn dann doch wieder zurück. Sie schaut hinauf zum Fenster, entdeckt Stellas Umriss hinter der Scheibe, die durch das Glas nach draußen schaut, doch der Blick scheint ins Nichts zu gehen.
    Sie drückt auf die Klingel. Keine Reaktion. Sie schaut noch malzu ihr hinauf. Sie steht immer noch an der gleichen Stelle, regungslos. Tina klingelt ein zweites, ein drittes Mal. Es meldet sich eine zittrige, weibliche Stimme.
    »Guten Tag, hier ist Tina, Stellas Freundin. Könnten Sie Ihre Tochter bitten runterzukommen?«
    »Stella will niemanden sehen«, antwortet Monica.
    »Ja, aber es geht um etwas Wicht...«, sie stockt, schnauft. »Entschuldigen Sie, aber ich glaube, ich muss Ihre Tochter um Verzeihung bitten, könnten Sie ihr zumindest sagen, dass ich hier unten bin?«
    »Tina, meiner Tochter geht es gut, sie will mit keinem von euch mehr was zu tun haben.«
    Tina schlägt sich mit der Faust aufs Knie. Schaut hinauf zum Fenster. Das reglose Mädchen hinter der Scheibe ist dieselbe, mit der sie zusammen verreist und auf Partys und Konzerte gegangen ist, mit der sie lauter gemeinsame Erfahrungen gemacht hat, mit der sie Drogen und Liebschaften geteilt hat, dieselbe, die sie betrogen hat, wegen einer flüchtigen Scheißbegierde. Das Mädchen hinter der Scheibe sieht aus wie Stella, und trotzdem scheint es eine ganz andere Person zu sein.
    Na sieh mal einer an, wen haben wir denn da: miese alte Freunde.
    Sie hat Tina gesehen, wahrgenommen. Sie sieht genau zur ihr hinunter. Sie rührt sich nicht, zeigt keine Regung, aber sie schaut zu ihr herunter, hat ihre Anwesenheit irgendwie verzeichnet.
    Ich geh runter, sorge dafür, dass sie sich beschissen fühlt und komme zurück.
    Tina beobachtet, wie Stella sich von der Scheibe entfernt. Sie bläst verärgert die Luft aus, zündet sich eine Zigarette an, klemmt die Haare hinter die Ohren, setzt sich auf den Gehweg. Eine Minutekann sie warten, bis sie entschieden hat, was sie als Nächstes machen will, denn Stella wird sowieso nicht herunterkommen.
    Als sie mit der Zigarette fertig ist, erhebt sie sich, will schon gehen, doch jemand hält sie an der Schulter.
    »Hey«, sagt Stella, »was machst du hier?«
    Tina dreht sich um. Stellas Augen schauen in ihre Richtung, sind aber ganz woanders. Sie sind leblos, die Lider leicht gesunken, der Blick distanziert. Sie spielt mit einem Stück Leder, das sich von der Handtasche gelöst hat. Ihre Finger drehen und wenden und drehen und wenden es.
    »Stella, ich wollte dich nur mal wiedersehen.«
    Wenn du knapp am Tod vorbeischrammst, erinnern sich die Leute plötzlich, dass du existiert hast.
    Stella trägt ein schwarzes, kurzes Kleid, das aber wohl eher eine Art Schlafanzug zu sein scheint, ihre Haare sind etwas durcheinander, aber nicht wirklich zerzaust, die Augen sind ungeschminkt, sonst trägt sie ihre Militärstiefel mit Plateausohle. Unter ihren Augen sind rote Streifen, als ob jemand ihr Gesicht zu stark mit einem Handtuch abgerubbelt hätte. Sie setzt sich etwas widerwillig neben Tina auf den Bordstein, sie wirkt ungeduldig, als wolle sie die Sache schnell hinter sich bringen.
    Dann hören wir mal, was sie will.
    Tina bewegt die Hand auf Stellas nacktes, dünnes Bein zu, aber langsam, mit unbeholfener Bewegung. Sie sitzt da und wartet. Tina legt die Hand sanft auf Stellas Knie, aber nur fast, es ist mehr ein Streifen als eine richtige Berührung. Stella dreht sich zu ihr um. Ein Zusammenstoß ihrer Blicke. Aber es ist der Kampf zwischen einem Frosch und einem Tiger.
    »Hör mal, ich wollte mich entschuldigen, für das, was ich gemacht habe«, sagt Tina.
    Stella bleibt kühl.
    Weil du mich zum Teufel geschickt hast oder weil du Marco gefickt hast?
    »Du hast also davon gehört, ja?«, fragt Stella, als ob sie von irgendeinem beiläufigen Vorfall reden würde.
    Die andere senkt den Blick, beugt den Kopf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher