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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh
Autoren: Ilaria Palomba
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mit dem zu leben, was sie jetzt entscheidet.
    Das heißt, egal, was ich mache, ich bin am Arsch. Großartig.
    Die Welt beginnt, sich weiterzudrehen. Marco kommt wieder zu Kräften, er hat Tränen in den Augen. Er umschließt ihre Hände mit seinen.
    »Kommst du, Sternchen? Genug, lass uns zu mir nach Hause gehen.«
    Klar, natürlich, vielleicht binde ich mir die Kochschürze um und wir frühstücken zusammen wie ein süßes Pärchen.
    Stella drückt Marcos Hände, drückt sie so fest, dass sie fühlen kann, wie sie ihm das Blut abschnürt. Er lächelt, sie nähert sich mit ihren Lippen seinem Hals, streift mit den Lippen hauchzart über seine Haut. Er umarmt sie.
    Du bist niemand mehr.
    Sie schreit ein lautes »Nein«, lässt Marcos Hände los und stößt gegen seine Schultern, um ihn hinunterzuschubsen. Er hält dagegen, um nicht zu fallen. Er fasst sie an den Handgelenken.
    »Spinnst du?«
    Stella fletscht die Zähne und stellt ihm ein Bein. Marco quetscht ihre Handgelenke. Stella stößt mit aller Kraft, tritt nach ihm, schlägt gegen seine Brust, beißt ihm in die Hände, er lässt sie los, sie stößt, so stark sie kann.
    Ein Stein rollt hinunter und klatscht auf die Wasseroberfläche, Marco verliert das Gleichgewicht. Sie schreit, so laut sie kann.
    Es geschieht etwas Titanisches, oder du hast einfach nur ein Mittel gegen die Kolitis gefunden.
    Sie ist dort und sieht ihn fallen, auf das Wasser klatschen, mit den Armen rudern und um Hilfe rufen: »Hilfe, Hilfe! Stella, ich bitte dich, hilf mir«, brüllt Marco vom Wasser hinauf.
    Er schafft es nicht zu schwimmen. Er kneift die Augen zu, das Wasser zieht ihn in einen Strudel, dass er kopfüber untergeht wie ein Stein. Stella findet, dass er einer Robbe ähnelt, so, wie er mit den Armen wedelt. Sie bewegt sich nicht. Kann nicht sagen, ob die Szene, die sie gerade erlebt, real ist. Es kommt ihr wie ein Flash vor, eine Fata Morgana des Trips, eine Einbildung.
    Gleich öffnest du die Augen, und ihr sitzt noch immer im Auto und zieht eine Line nach der anderen.
    In einem Augenblick sieht sie ihre erste Begegnung, und es ist so, als würde sie diesen Geruch riechen wie ein Minzparfüm, das sich in der Luft ausbreitet und, indem es sich über die Dinge legt, den Schmutz bedeckt, Marcos Geruch, der sie verrückt gemacht hat. Sie erinnert sich an das Brennen der Zigarette auf ihrem Rücken. Sie erinnert sich an das Stechen in der Brust, in der Nacht, in der sie glaubte, dass sie zusammen nach Berlin abhauen würden.
    Sie drückt sich die Hand gegen die Brust, während sie die Blase im Wasser beobachtet, wie ein schwarzes Loch im Universum. Um Stella steht es nicht schlecht, aber auch nicht gut, sie steht weder auf dieser noch auf jener Seite, sie ist überall.
    Sie spürt nicht die Feuchte der Tränen, die ihre Wangen hinabrinnen, sie spürt nicht das Rascheln des Windes, sie schmeckt nicht den bitteren Geschmack von all den Drogen, die sie sich reingezogen hat. Was sie wahrnimmt, ist dieser Minzgeruch, die blaue Farbe von Marcos Augen, wenn sie sich in ihren nackten Körper bohren, seine zugedröhnte Stimme, die ihr zuflüstert: »Wir müssen mehr machen, darüber hinausgehen.«
    Und hier sind wir, Marco, jenseits, wie du es wolltest.
    Stella bemerkt in diesem Moment, dass dieser Marco, der »Würdest du mit mir abhauen« geschrieben hat, der ihren Rücken mit Brandzeichen versengt hat, der auf jeder Party mitten aus der Menschenmenge auftauchte, der sie weit fortführte von dieser Welt, der sie mit einem Blick dazu bringen konnte, das zu tun, was er wollte, der, von dem sie überzeugt war, in ihn verliebt zu sein, dieser Marco treibt nicht tot übers Wasser, diesen Marco hat es nie gegeben.
    Und du hast nie jemanden umgebracht.
    Stella schaut auf den treibenden Körper eines Mannes, den sievorgibt, nicht zu kennen. Aber für einen Augenblick sieht sie ihren eigenen Körper im Wasser, die blonden Haare fließen frei zwischen den Wellen und dem zerrissenen Kleid, der weißen Haut und den abgeschabten Militärstiefeln.
    Stella dreht diesem Bild den Rücken zu und beginnt zu laufen. Sie läuft, bis sie nicht mehr kann, sie keucht, erreicht die Straße und läuft weiter.
    Sie bleibt nicht stehen, bis nicht die allerletzte Kraft aufgebraucht ist. Dann stützt sie sich an einer Mauer ab, verschwitzt, die Wunden noch immer deutlich zu erkennen. Sie hört das Dröhnen der Autos, die vorbeirasen. In der Ferne sieht sie die Bushaltestelle. Wenn sie es bis dahin schafft, wird sie
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