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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen
Autoren: Derting Kimberly
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1. Kapitel

    Januar, fünf Wochen vorher
    Chelsea beugte sich zu Violet, als wollte sie ihr ein Geheimnis
anvertrauen, etwas, das niemand anders hören sollte. »Guck
mal, der Neue ist echt schnuckelig!«, rief sie plötzlich so laut,
dass Violet vor Schreck zusammenzuckte.
    Bestimmt hatten es alle in der Cafeteria gehört. Chelsea
dachte selten darüber nach, was man laut sagen konnte und
was nicht.
    Der Junge, den Chelsea meinte, ging direkt an ihnen vorbei.
Wie alle anderen hatte er gehört, was sie gerufen hatte – sonst
hätte er auch taub sein müssen –, und er blickte genau in dem
Moment auf, als Violet ihn ansah. Chelsea wandte sich wieder
zu Jules und Claire und tat so, als ob sie über etwas lachte, was
die beiden gesagt hatten. Für den Jungen musste es so aussehen,
als hätte Violet die freche Bemerkung gemacht.
    Verlegen lächelte er Violet an und ging weiter. Violets Wangen
brannten, und sie war dankbar dafür, dass es ihm wenigstens
unangenehm war, so im Mittelpunkt zu stehen. Die Situation
war ihr peinlich, aber ein bisschen tat er ihr auch leid. Es
musste grässlich sein, der Neue in der Schule zu sein und von
allen beobachtet zu werden. Selbst wenn man so gut aussah
wie er.
    Jetzt gesellte sich ein Mädchen zu ihm. Man sah den beiden
an, dass sie verwandt waren, und Violet hatte bereits gehört,
dass das Mädchen seine jüngere Schwester war.
    Hin und wieder gab es schon mal neue Schüler in der White
River High School, aber zwei Neue an der Schule waren in
einer so kleinen Stadt wie Buckley, Washington schon fast eine
Sensation. Selbst wenn es sich bei den beiden um Bruder und
Schwester handelte.
    Violet beobachtete sie, bis sie einen Tisch am anderen Ende
der Cafeteria, abseits vom lärmigen Treiben, gefunden hatten,
dann wandte sie sich an Chelsea.
    Â»Vielen Dank, Chels. Das war bestimmt sehr angenehm für
ihn.« Dann schaute Violet auf ihr Plastiktablett. Die Pizza war
matschig und triefte vor Fett. Das Apfelmus hatte einen leichten
Graustich. Augenblicklich verging ihr der Appetit.
    Chelsea grinste sie an. »Kein Problem, Vi. Du weißt ja, ich
bin ein großzügiger Mensch. Er soll sich willkommen fühlen.
« Sie nahm etwas von dem ekligen Apfelmus und lächelte
mit dem Plastiklöffel im Mund. Über Violets Schulter hinweg
schaute sie zu den beiden Neuen. »Wenn er nicht will, dass man
über ihn redet, darf er eben nicht so zum Anbeißen aussehen.«
Auf einmal runzelte sie die Stirn und nahm den Löffel aus dem
Mund. »Was macht dein Freund denn da?«
    Violet drehte sich um und sah hin, genau in dem Moment,
als Jay zu den beiden Neuen lief. Er setzte sich neben das
Mädchen und sprach dabei mit ihrem Bruder, als wären sie alte
Freunde. Dann wandte er sich um, zeigte in Violets Richtung
und lächelte, als er sah, dass sie ihn anschaute. Im selben Moment,
in dem er ihr zuwinkte, schaute der Neue auf und bemerkte
ihren Blick.
    Jetzt hatte er sie schon zum zweiten Mal dabei ertappt, wie
sie ihn anstarrte.
    Violet versuchte zu lächeln, aber es misslang ihr. Am liebsten
hätte sie so getan, als ob sie die drei nicht bemerkte, aber
dafür war es zu spät. Sie winkte halbherzig zurück und drehte
sich dann wieder um. Hoffentlich erzählte der Neue Jay nicht,
dass sie ihn »schnuckelig« genannt hatte … zumal
sie
das ja gar
nicht gesagt hatte. Jay war lange Zeit ihr bester Freund gewesen,
bevor sie ein Paar wurden, er konnte sich also eigentlich
denken, dass die Bemerkung nicht von ihr gekommen war.
    Â»Ach, guck mal«, sagte Claire, die mal wieder gar nichts
merkte. »Ich glaube, Jay bittet sie zu uns an den Tisch.«
    Natürlich. Warum auch nicht?
    Â»Super«, murmelte Violet. Diesmal drehte sie sich nicht um,
sondern warf Chelsea einen bösen Blick zu.
    Chelsea tat ganz unschuldig. »Was ist? Hast du was dagegen,
dass der Neue bei uns sitzt? Claire und Jules aber nicht,
oder?«
    Jules war zu sehr mit Essen beschäftigt, um sich am Gespräch
zu beteiligen. Wie eine Gefangene saß sie über ihr Tablett gebeugt
da, einen Arm schützend davor gelegt, und schaufelte das
unappetitliche Zeug in sich hinein.
    Claire schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
    Chelsea fuhr fort: »Du hast vielleicht ein Glück, Violet. Dein
Freund hat ein Herz aus Gold. Er gibt sich richtig Mühe, damit
sich der Neue willkommen fühlt.« Dann fügte sie hinzu:
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