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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Autoren: Tom Hillenbrand
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1
    Es war ein Fehler gewesen, diese neuen Schuhe anzuziehen. Er war zu Fuß gelaufen, den ganzen Weg von der Opéra Garnier hinunter zur Seine, vorbei an der Place Vendôme, dann den Quai des Tuileries entlang. Am Samstagabend um diese Zeit ein Taxi zu bekommen, war nämlich unmöglich. Die stickige Métro wäre eine Option gewesen – aber nur, wenn man in einem aus allen Nähten dampfenden Smoking zu seinem Dinner erscheinen wollte, mit klammem Hemd und Schweißperlen auf der Stirn. Xavier Kieffer sah an sich herab und strich mit der Linken über den dunklen Stoff seines neuen Anzugs. »Für dich muss ich mindestens eine Woche arbeiten«, brummte er und begann, in der Jacketttasche nach seinen Ducal zu kramen.
    Nachdem er sich eine Zigarette angesteckt hatte, lief Kieffer schmerzenden Fußes bis zur Mitte der Passerelle Senghor, umfasste mit seinen Händen das metallene Geländer und schaute den Fluss hinauf, Richtung Eiffelturm. Er stippte die Asche über die Brüstung und sah zu, wie die grauen Flocken vom Wind fortgeweht wurden. Er rümpfte die Nase. Paris im Frühling war seinerMeinung nach nicht halb so wunderbar, wie die meisten Menschen glaubten. Vor allem, wenn das Wetter so feucht und heiß war wie seit einer Woche. Dann duftete die Stadt der Lichter nicht nach Blumen und Liebe, sondern nach Autoabgasen und Müll.
    Xavier Kieffer seufzte. In Grund, seinem Wohnviertel in der Luxemburger Unterstadt, war die Luft im April stets klar und frisch. Und anders als die Seine war die Alzette sauber. Dort könnte er nun sitzen, in seiner Laube am Fluss, mit einem schönen Glas Wein und etwas Rieslingspaschtéit … Kieffer zündete sich an der verglimmenden Ducal eine weitere an und inhalierte tief. Warum so miesepetrig, dachte er bei sich. Eigentlich hast du doch keinen Grund, so übellaunig zu sein, wahrhaftig nicht.
    Schließlich war er in Paris, einer Stadt, die er eigentlich mochte. Und er war zu einem schicken Abendessen eingeladen. Nicht zu irgendeinem, sondern zu dem exklusivsten Dinner, das an diesem Abend in der Metropole stattfand. Ryuunosuke Mifune würde kochen, der größte Sushimeister Frankreichs, vielleicht sogar ganz Europas. Geladen hatte François Allégret, der Bürgermeister von Paris. Mehrere Staatsminister würden anwesend sein, diverse Chefredakteure, Wirtschaftsbosse und allerlei andere gut betuchte Freunde Allégrets.
    Trotzdem war Kieffer unwohl. Es lag nicht nur an den rahmengenähten Budapestern, die seine Plattfüße malträtierten. Dies war die Art von Veranstaltung, bei der ein kleiner Luxemburger Koch wie er in etwa so viel verloren hatte wie eine Maus in einer Sterneküche. Warum also war er hier? Der Bürgermeister und seine High-Society-Freunde interessierten Kieffer herzlich wenig. Einmal persönlich von einem japanischen Großmeister wie Mifune bekocht zu werden, war schon eher etwas, wofür er bereit war, sich in einen viel zu teuren, viel zu schmal geschnittenen Boss-Anzug zu zwängen.
    Aber der eigentliche Grund war natürlich Valérie.
    Ohne sie wäre er nicht von Luxemburg nach Paris gefahren, um kalten Fisch mit Seetang zu essen, so meisterhaft dieser auch zubereitet sein mochte. Und ohne die Hilfe der Chefredakteurin und Eigentümerin des legendären Restaurantführers Guide Gabin hätte er sicher nie jene Einladung aus schwerem, goldumrandetem Büttenpapier erhalten, die ein Bote vor zwei Wochen in seinem Restaurant abgeliefert hatte:
    »François Allégret erlaubt sich, Sie zu einer soirée privée zu Ehren von Monsieur Ryuunosuke Mifune einzuladen. 17. April, 21 Uhr, Le Musée d’Orsay. Abendgarderobe. R.S.V.P.«
    Kieffer hatte sofort gewusst, dass Valérie hinter der Einladung steckte. Nicht nur, weil die Gabin-Chefin gut mit dem Pariser Bürgermeister befreundet war, sondern auch, weil sie ihm zuvor kein Wort gesagt hatte. Das war typisch für sie; kein Hinweis, keine Ankündigung, geschweige denn eine behutsam formulierte Frage, ob er überhaupt Lust habe, endlich einmal wieder einen Abend mit ihr zu verbringen. Stattdessen diese Einladung nach Paris, aus heiterem Himmel, über Bande gespielt. Und nicht zu einem Tête-à-tête in einem romantischen kleinen Restaurant in Saint-Germain, was eher nach Kieffers Geschmack gewesen wäre, sondern zu einem Society-Event, bei dem er sich schon unwohl fühlte, bevor die Veranstaltung überhaupt begonnen hatte.
    Wütend war er gewesen, als er die Karte gelesen hatte.Doch noch am selben Abend hatte er ein Zugticket
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