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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Autoren: Tom Hillenbrand
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rauche ich erst, wenn Gauloises pleitegeht. Ich habe irgendwo noch welche.« Nachdem sie in einer Schublade eine neue Schachtel gefunden hatte, sagte sie: »Offenbar gibt es auch noch andere Meerestiere, die dieses Gift absondern, sagt die Police Judiciaire. Kraken zum Beispiel.«
    »Ja, das könnte hinkommen. Oktopus hätte es«, Kieffer zog die kleine Menükarte aus der Tasche, die er im Orsay eingesteckt hatte, »als dritten Gang gegeben.«
    »Und theoretisch ist es wohl möglich, dass man davon als Koch etwas abbekommt. Sagen die Forensiker.«
    »Habe ich noch nie gehört, aber gut. Und daran stirbt man?«
    »François sucht, wie ich dir bereits erzählt habe, ständig nach kulinarischen Herausforderungen, und deshalb hat er selbst schon einmal Fugu gegessen, in Tokio. Er hat mir erklärt, dass sich die meisten dieser Tetrodotoxin-Vergiftungen dort ereignen und meist glimpflich ausgehen. Denn die japanischen Ärzte kennen die Symptome, und wenn man dem Opfer rasch hilft, hat es gute Überlebenschancen. Hier waren sie im Krankenhaus zunächst völligratlos und haben wertvolle Minuten verloren. Mifune selbst muss sich schon eine ganze Zeit lang unwohl gefühlt haben. Hätte er früher einen Arzt gerufen, wäre die Sache vielleicht noch glimpflich ausgegangen. Stattdessen hat er aber anscheinend die Zähne zusammengebissen und weitergearbeitet.«
    »Dann hat ihn seine eiserne Disziplin umgebracht, gewissermaßen.«
    Sie schaute ihn missbilligend an. »Da ist er ja wieder, dein unnachahmlicher Zynismus. François glaubt nun, dass er schuld ist, weil er Mifune derart unter Druck gesetzt hat. Er fühlt sich schrecklich, glaube ich.«
    Kieffer konnte das verstehen. Auch er hatte mitangesehen, wie Mifune erstickt war. Das Bild des steif nach hinten umkippenden Japaners mit den vor Entsetzen aufgerissenen Augen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er goss sich nun doch einen weiteren Calvados ein, hob das Glas und betrachtete die goldene Flüssigkeit. Dann stellte er es weg.
    »Wir sollten uns ein bisschen hinlegen, Val. Das war alles sehr aufreibend.« Er stand auf, ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie ließ es geschehen. Nach einigen Sekunden löste sie sich jedoch aus seiner Umarmung und sagte: »Du kannst gerne in meine Wohnung fahren und dort etwas schlafen. Ich … ich kann jetzt nicht. Vielleicht lenkt mich etwas Arbeit ab. Oder eine Runde Schwimmen.« Sie drückte ihm ihren Hausschlüssel in die Hand.
    »Ich verstehe«, sagte er. Dann ging er durch die leere Redaktion zum Fahrstuhl. Valéries Schlüssel legte er in ihrem Vorzimmer auf den Schreibtisch.

[Menü]
3
    Wenn es einen Zeitpunkt gab, zu dem Paris stillstand, dann wohl gegen kurz vor fünf am Sonntagmorgen. Kieffer schaute die Avenue de Breteuil hinunter, eine breite Haussmann’sche Allee mit üppigem Grünstreifen. Sie war menschenleer. Er lief die verlassene Prachtstraße ein Stück hinauf, Richtung Seine-Ufer.
    Sein Magen knurrte. Seit den drei Scheibchen Sashimi am Vorabend hatte er nichts mehr gegessen, und nun regte sich in ihm ein mächtiger Hunger. Kieffer überlegte, zum Pied de Cochon zu laufen, einem der wenigen Lokale in der Innenstadt, das um diese Zeit geöffnet hatte.
    Dabei musste er jedoch augenblicklich an Valérie denken. Im Cochon hatten sie sich kennengelernt, als er mit ihr über einen Tester des Guide Gabin gesprochen hatte, der in Kieffers Luxemburger Restaurant unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen war.
    Damals hatte ihn die junge Frau auf Anhieb beeindruckt, weil sie ganz anders war, als er sich die Erbin und Chefin des berühmtesten Gastronomie-Imperiums der Welt vorgestellt hatte. Im Kataster seiner Vorurteile trugen Frauen wie Valérie Perlenketten, fuhren stets ineiner dunklen Limousine vor und waren es gewohnt, dass ihnen tout le monde Reverenz erwies.
    Valérie jedoch wirkte in ihren Jeans und Turnschuhen wie ein ganz normaler Mensch, wie jemand, den weder obszöner Reichtum noch Privatschule hatten verbiegen können. Ihre Offenheit und ihre Zugänglichkeit hatten ihn seinerzeit umgehauen.
    Kieffer setzte sich unweit der Invalidenbrücke auf eine Bank und rauchte eine Zigarette. Es dämmerte inzwischen. Es war dumm, wohlhabende Frauen allesamt als blasierte Perlhühner abzustempeln. Er seufzte. Und die millionenschwere Erbin eines Pariser Medienimperiums wegen ihrer abgewetzten Turnschuhe und ihrer Surferklamotten für das unkomplizierteste Mädchen der Welt zu halten, war ebenfalls einfältig.
    Das Cochon kam
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