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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh
Autoren: Ilaria Palomba
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nickt.
    Stella betrachtet Tina: ausgehöhlte Wangen, leicht fettiges Haar, nicht mehr pink sondern mattbraun, in ihrer blassen Visage sind kaum noch Piercings, ihr dünner Körper ist ohne Rundungen, ohne Definition.
    Du spielst die Freundin doch nur, weil ich dir leidtue, aber du weißt gar nicht, wie sehr du mir leidtust.
    »Jedenfalls, alles in Ordnung, ich hab’ mich erholt.«
    »Die Sache ist, dass ich mich schuldig gefühlt habe.«
    Zu spät. Du hättest dich schuldig fühlen sollen, als du all den Mist verzapft hast. So ist es zu einfach.
    »Schuld gibt es nicht«, sagt Stella und starrt ins Leere, »es gibt nur Entscheidungen und Verantwortung.«
    »Na, dann sagen wir, dass ich Verantwortung übernehmen und mich für alles entschuldigen will.«
    Als ob das für mich irgendeine Rolle spielt, mir geht es ja sicher nicht deinetwegen schlecht.
    »Wie lange warst du nicht mehr draußen, Stella?«
    »Seit drei Wochen.«
    »Und fehlt dir nichts?«
    »Mir ist es völlig gleichgültig.«
    Ausgehen oder nicht ausgehen. Essen oder nicht essen. Schlafen oder nicht schlafen. Sein oder nicht sein. Ich sehe keine Unterschiede.
    »Hör zu, heute findet wieder das Wasser-in-den-Ohren-Festivalstatt. Diesmal am Strand, in der Nähe vom Parco Perotti, hast du Lust mitzukommen? Ich meine, du und ich, als Freundinnen, ohne alles andere.«
    »Keine Ahnung, ohne alles andere scheint mir ein bisschen übertrieben.«
    »Ich hab’ aufgehört, Stella.«
    Sie zeigt keine Reaktion auf das Geständnis ihrer Freundin, erhebt sich nur, geht zur Haustür und drückt auf die Klingel.
    »Ich gehe auf ein Konzert.«
    »Stella«, antwortet Monica aufgeregt, »oh Gott, wie sollen wir das machen? Sag deiner Freundin, wenn dir etwas passiert, dann bringe ich sie um.«
    »Nein, nein, ich gehe mir nur die Beine vertreten, spätestens in einer Stunde bin ich zurück.«
    »Meine Güte, Stella, ich mach mir Sorgen, bitte ...«
    »Ja, ist ja gut, ich hab’ gar keine Lust, unter Leuten zu sein, ich gehe ein paar Schritte und komme zurück.«
    Stella steigt in Tinas Auto, ein weißer Ford Ka, älteres Modell. Sie fahren durch die Stadt mit ihren rötlichen Lichtern, entlang der inzwischen geschlossenen Läden, beleuchteten Schilder von Bars und Pubs, zwischendrin die Leuchtballons der chinesischen Restaurants, und auf der Straße, den Gehwegen die Proletencliquen und ihr Gebrüll.
    All das interessiert mich nicht.
    Sie parken in zweiter Reihe. Sie steigen am Parco Perotti aus, eine Wiesenfläche, wo früher ein unerlaubtes Hochhaus gestanden hatte, das schließlich infolge eines Gemeindebeschlusses abgerissen wurde. Es ist ein nüchterner Park, ohne Bäume, ohne andere Pflanzen außer dieser künstlichen Wiese. Sie laufen auf dem Weg zwischen Park und Strand. Man hört die Bässe der Musik. Die Leute laufen kreuz und quer. Hip-Hopper, Gothic, Punkabbestia, Indie-Rocker,mehr oder minder komische Vögel. Stella erkennt kein bekanntes Gesicht.
    Sind sie alle zur Vernunft gekommen, die armen Schweine?
    »Weißt du, mir gefällt so ein Typ, also echt, er geht auf unsere Uni, vielleicht kennst du ihn ja.«
    Stella nickt zerstreut. Sie riecht den Meeresgeruch, die Algen, der Wind peitscht auf ihre Haut.
    Ich hab’ nie einen interessanten Typ an der Uni gesehen.
    »Also, ich hab’ keinen Bock mehr auf Gefühle pur, diese Sachen, die du nur mit MDMA oder LSD empfindest, ich hab’ keine Lust mehr darauf, auf eine chemische Verbindung für einen Abend, ich will die Dinge so, wie sie wirklich sind, ich bin auf dem Weg, vernünftig zu werden.«
    Bis jetzt bist du nämlich nur irgendein Monster.
    Tina und Stella nähern sich von der Musik angezogen der Bühne. Es läuft Elektromusik, aber nicht die von den Raves, sondern eher in Richtung Meditation, in Richtung Selbstfindung. Auf der Bühne stehen ein DJ und eine dralle blonde Sängerin in einem roten Overall aus PVC. Stella schaut sie bewundernd an.
    Früher hätte ich alles getan, um so eine kennenzulernen.
    Stella schließt die Augen, lässt sich von der Musik mitreißen. Ihre Hüften kreisen, beschreiben keine genauen Bahnen, bewegen sich frei im Raum. Tina fängt auch an zu tanzen.
    Alles ist so weit entfernt, dass nicht mal das Tanzen irgendwelche Gefühle in mir weckt.
    Jemand nähert sich ihnen und beginnt, neben ihnen zu tanzen. Proleten. Einer kommentiert Stellas Bekleidung, ein anderer versucht, sie anzusprechen. Die Reaktion ist immer eine Abfuhr.
    Proletenpack.
    Während sie tanzt, ohne Drogen, ohne
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