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Dicke Moepse

Dicke Moepse

Titel: Dicke Moepse
Autoren: Ruth Moschner
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Morgengrauen
    »Du hast was??!« Meine Mitbewohnerin Carla zieht ihre linke Augenbraue nach oben und blickt mir streng in die völlig übermüdeten Augen. In diesen Momenten erinnert sie mich immer an meine Mutter. Die beiden sehen sich nicht mal im Ansatz ähnlich. Aber Carla ist zur Hälfte Italienerin, und die haben bekanntermaßen eine mütterliche Ausstrahlung. Insbesondere, wenn man ihnen Grund zur Sorge gegeben hat. »Wo in aller Welt hast du gesteckt? Ich höre seit zwei Stunden den Polizeifunk ab!«, ruft sie und wirft dabei dramatisch die Arme in die Höhe. Carla hat aus beruflichen Gründen hervorragende Verbindungen zur Exekutive. Sie sitzt quasi an der Quelle, wenn es um die Einhaltung der Vorschriften und das Verfolgen von Verbrechen jeglicher Art geht.
    Das hier ist aber nun wirklich übertrieben. Als Polizistin hat sie keinen Grund, mich zu bestrafen. Als Freundin eventuell. Wobei mir an dieser Stelle einfällt, dass Freundinnen strenger sein können als Mütter und Polizisten zusammen. Insbesondere, wenn die beste Freundin gleichzeitig auch noch die Mitbewohnerin und ganze drei Jahre älter ist! Hier hilft nur dasselbe wie bei Glucken-Müttern, die nicht loslassen können: frühzeitige und entschlossene Emanzipation. Es ist doch so: Freundinnen und Mütter wollen immer nur unser Bestes. Und das ist genau das Problem.
    »Carlina, ich bin seit über sechzehn Jahren volljährig, da ist es ja wohl völlig legitim, ausnahmsweise einmal morgens früh um neun nach Hause zu kommen«, antworte ich trotzig und will so schnell wie möglich dem Ruf meines Bettchens folgen. Immerhin habe ich durch die vergangene Nacht ein Schlafdefizit auszugleichen.
    »Rose-Maria Jakob!« Die linke Augenbraue meiner bezaubernden Aufseherin und Mitbewohnerin hat nun fast ihren dunkelbraunen Haaransatz erreicht.
    »Ja, Frau Oberfeldwebel?« Leicht genervt drehe ich mich zu ihr um. Wir teilen uns seit vier Jahren eine wunderbare Altbauwohnung in Berlin-Schöneberg, zweites Obergeschoss, Parkett, Wohnküche und Gästeklo, übrigens ein Muss, wenn drei Frauen auf einem Haufen wohnen. Man bekommt in einer WG ohnehin schon zu viel vom anderen mit. Deswegen wundert mich Carlas Verhör auch etwas. Eigentlich müsste sie doch schon längst wissen, womit ich mir bis vor einer halben Stunde die Zeit vertrieben habe, und ich hoffe inständig, dass sie mich nicht zwingt, ihr alles haarklein zu schildern. Carla wurde aus besagten verwandtschaftlichen Gründen streng katholisch erzogen und hat, was Männergeschichten angeht, ihre genauen Vorstellungen: Zuerst kommt der Traummann, dann die Ehe und dann ganz viele Bambini. Davon können sie selbst ihre 37 Lenze nicht abbringen. Ich bewundere sie dafür. Immerhin hat sie ihren Mann, ihre erste Liebe, nach dreizehn Jahren Beziehung verlassen, weil sie plötzlich merkte, dass sie völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Leben hatten. Man stelle sich das einmal vor: dreizehn Jahre und dann von heute auf morgen aus und vorbei. Da muss man erst einmal die Angst wegstecken: Was, wenn da nichts mehr kommt? Carla schafft das und bleibt seitdem ihrer Linie treu. Problemlos. Vielleicht leidet die Gute auch einfach nur an gnädiger Taubheit, was das Ticken ihrer biologischen Uhr angeht.
     
    Apropos Ticken. Gerade sinkt mein Alkoholpegel in einem Affentempo gegen null, was nicht nur unerträgliche Kopfschmerzen auslöst, sondern auch ein klebrig-zähes Gefühl von Peinlichkeit und den bitteren Nachgeschmack hemmungsloser Genüsse hervorbringt. Was für eine Nacht! Was für ein Mann! Was habe ich da bloß getan? Leider kann ich mich an fast jedes noch so winzige schmutzige Detail erinnern, und davon gab es viele. Alkoholgenuss sorgt bei mir nur für den Abbau der Hemmschwelle, aber nicht für Demenz. Ist mir das peinlich! Aber wahrscheinlich ist so eine Reaktion ganz normal bei jemandem wie mir. Wie Muskelkater nach zu viel Fitness, wenn man zuvor nie was getan hat.
     
    Ich bin nicht nur im Sport eine Niete, sondern auch auf dem gewissen anderen Gebiet völlig aus dem Training. Ansonsten bin ich 34 Jahre alt und gehe einem geregelten Job als Tierpflegerin nach.
    Normale Menschen meines Alters würden in diesem Fall sicher ihre Freiheit in vollen Zügen genießen. Schließlich kann ich, mal abgesehen von meinem Dienstplan, tun und lassen, was ich will. Ich habe keinerlei Verpflichtungen. Ich könnte splitterfasernackt in einer Diskothek auf den Boxen tanzen oder eine politische Botschaft auf die Mauer
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