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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Autoren: Andreas Altmann
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drücken werde, der einen guten Geist veranlasst, den besten Kaffee Varanasis zu bringen. Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges definierte das Glück einmal als ein lässiges Leuchten in den Augen. Es hülfe auch jedem anderen beim Glücklichsein, der gerade vorbeikommt. Und dauerte es nur diesen einen Blick lang. Jenes Glück, das nur mit immer mehr Protz über die Runden kommt, dieses armselige, das nie genug haben kann, das meinte er nicht.

ABSCHIEDSTAG
    Zum elften Mal schlägt einer die Glocke um vier Uhr, kommt anschließend mit seinem Glöcklein an unseren Türen vorbei. Wie froh ich bin, dass ich da war. Und wie froh, dass ich jetzt davondarf. Ob einer hier unter uns ist, der anders empfindet?
    Diesmal versammeln wir, die Ausländer, uns in der Mini Dhamma Hall . Und Goenka quetscht nochmals seine Stimmbänder, singt nochmals schaurig gräulich in die Nacht. Um anschließend – als Redner – zu famoser Form aufzulaufen. Denn er spricht ganz irdisch. Einmal mehr ist ihm bewusst geworden, dass uns mit Predigten aus dem Meditationshimmel hier auf Erden nicht geholfen ist. Er sagt lauter schöne, verständliche Sätze: dass wir erst am Anfang stünden. Dass wir nichts erhoffen sollten, nichts erwarten. Erst recht nicht Erleuchtung. Dass wir unwiderruflich jeden Tag Achtsamkeit trainieren sollten. Dass es sich hier um einen »lifetime job« handle. Dass wir darüber nicht diskutieren sollten. Einfach sitzen, einfach tun. Nicht immer neu verhandeln, ob richtig oder falsch. Nein, Mund halten und das Flehen des faulen Fleisches eiskalt überhören. Und das ist der Höhepunkt dieses pep talks (siehe aufpeppen): Vipassana ist der nutzloseste Zeitvertreib, wenn sich der Freundlichkeits-Quotient nicht erhöht. Wenn die Achtsamkeitsspanne nicht wächst. Wenn der Grad an Lässigkeit im Umgang mit der Welt nicht zunimmt. Wenn die Lebenstemperatur nicht steigt, nicht dieses verheerend schöne Gefühl, sich lebendig zu fühlen.
    Noch einmal meditieren wir alle zusammen in der Dhamma Hall . Noch einmal Metta üben, Liebeswellen an die Menschheit verschicken. Mir ist alles recht, ich segne jeden, nur schnell muss es gehen. Denn jetzt brenne ich nach Action, nach Tun, nach Welt, jetzt will ich hinaus. Und es geht schnell. Packen, die Zelle säubern, ein letztes Frühstück, ein letztes Umarmen. Und um 7.57 Uhr durch das Tor schreiten und noch nicht wissen, dass eine triumphale Stunde bevorsteht. Wobei alle anderen Akteure triumphieren, nur ich nicht. Was diesem warmen Wintermorgen nichts von seinem Zauber nimmt.
    Mulalal wartet schon, der kleine, drahtdünne Rikscha-Fahrer, der mit seinen Irrfahrten dazu beigetragen hat, dass ich vor elf Nächten hier eintraf. Zuverlässig wie ein Freund ist er zum verabredeten Zeitpunkt zur Stelle. Ich drücke ihn voller Freude an mich und der Kleinunternehmer ringt nach Luft, ruft leicht verzweifelt: »Thank you, Andrew, thank you, thank you.«
    Wir fahren los und ich muss an mich halten, sonst bricht das Heulsusen-Syndrom aus. Aber Indien sieht wieder einmal zum Weinen gut aus. Die Nebelschwaden lichten sich langsam und erste Sonnenstrahlen treffen auf unsere Gesichter. Aus dem Dunst und der Sonne treten die Inder, die Kühe, die Hunde, die Schulmädchen, die Ziegen, ein Verirrter mit Unterhose. Und wie in einer Theaterlandschaft ziehen wir an dem schmalen Kanal entlang, der links der Straße verläuft, ziehen vorbei an Bäumen, an Feldern, den Bauern, die zur Arbeit gehen. Noch ist die Welt still, morgenstill, noch braucht sie eine Weile, um indienlaut aufzudrehen.
    Ich spüre meinen Körper, spüre seine Sehnsucht, sich zu bewegen. Zu lange saß er in den Boden geschweißt, ohne Auslauf. Ich frage Malulal, ob er mich die Rikscha fahren lässt. Die Antwort ist zögerlich. Er ahnt schon, wie linkisch ich damit umgehen werde. Immerhin sein einziges Produktionsmittel. Aber ich bettle. Und sitze auf und lege los. Und jetzt wird die Welt schon lärmiger, denn alle lachen, an denen wir vorbeikommen. Der reiche Westler als Kuli und der indische Habenichts als Pascha. Die Situation ist umso absurder, als nicht zu verheimlichen ist, wie unbeholfen ich das Schwermetall mit starrer Nabe und störrischem Linksdrall bearbeite. Ich trete rein, als müsste ich einen Panzer chauffieren. Bei Malulal – er fleht inzwischen inständig, wieder ans Steuer zu dürfen – sah das spielerisch aus, ja elegant.
    Und es kommt, wie es kommen muss, wenn Talentlose das Ruder übernehmen. Zudem haben die
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