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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Autoren: Andreas Altmann
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hört die Welt auf, verschwiegen zu sein. Die Meditation ist zu Ende und mit ihr das »noble silence«. Harisingh lacht verschmitzt und kündigt das »noble chatting« an, die noble Schwatzsucht. Allerdings »don’t touch each other«, und Damen und Herren müssen getrennt schwatzen. Zudem verweist er auf die Möglichkeit, jetzt eine Spende loszuwerden.
    Das ist eine weitere Gelegenheit, um herauszufinden, dass keiner hier abzockt. Ein kleiner Tisch wird gebracht, ein Kistchen mit Wechselgeld, ein paar Stifte. Und mit einem freundlichen »thank you« und einer Quittung wird der Beitrag – allein vom Spender festgelegt – bestätigt. Ansonsten kein Kommentar. Der indische Handwerker vor mir, der hundert Rupien (zwei Euro) dalässt, wird nicht anders behandelt als der Ausländer, der mehr geben kann. Die Spenden sind die einzige Einnahmequelle für das Zentrum, um die Kosten für das Essen, das Personal und den Unterhalt der Anlage zu finanzieren. Fairer geht es nicht.
    Alle schwatzen, jeder leuchtet. Ich suche umgehend meinen Nachbarn auf, an dem ich so viele Male wie ein stummer Schatten vorbeigegangen bin. Joshua ist genauso sympathisch, wie ich ihn »gefühlt« habe. Wir setzen uns in die Sonne und reden. Er ist Mitte dreißig, hat das College abgeschlossen und »nothing else«. Kein Hochschulstudium, keine Berufsausbildung. Geld hat er in einer großen Kanzlei in Houston verdient. Um erfolgreich und depressiv zu werden und vor sechs Monaten zu kündigen. Zuletzt war er nur noch »disgusted«, angeekelt von einer verrohten Kundschaft, die – angespornt von raffgierigen Anwälten – nach nichts anderem trachtete, als die Gegenpartei finanziell zu ruinieren. (In Amerika sind Rechtsanwälte prozentual an der Gewinnsumme beteiligt. Ein Anreiz zu noch mehr Gier)
    Seit langem blickt Joshua mit schwarzen Augen auf die Welt. Und sucht nach Licht, nach Freude, nach einem Ziel. Zuerst bei den Hare-Krishna-Jüngern, dann per Philosophiestudium, jetzt in Indien. Vipassana soll ihm helfen, den einen, den ihm gemäßen Weg zu finden. Er weiß nur, dass er nichts machen will, was anderen schaden könnte. Sein Vater ist Farmer, hat einen Hof und wünscht sich den Sohn als Nachfolger. Doch der zögert, scheint vielmehr von dem wahnwitzigsten Wunsch überhaupt beseelt: nur jenen Beruf auszuüben, den er liebt.
    Solche Reden verbünden mich sofort mit jemandem. Weil der andere nicht von »lots of money« spricht, die er anhäufen will, sich nicht mit Träumen voller Geldtruhen kaufen lässt. Gleichzeitig werde ich melancholisch. Ich habe zu viele Leute getroffen, die diesem geradezu frevelhaftem Wunsch frönten: sich zu »verwirklichen«. Eben wirklich zu werden und nicht als Büroleiche zehntausend Bürostunden auszusitzen. Aber der Preis für ein solches Leben ist der reinste Wucher, er könnte höher nicht sein: alles geben müssen. Sonst nichts, nur alles. Und alles ist vielen zu viel.
    Wenn ich jetzt dem Texaner zuhöre, der ein angenehmes Englisch spricht (und kein Redneck-Texanisch), dann kommen die Zweifel. Denn Joshua scheint zu weich, zu besiegt. Die Härte fehlt, so etwas Unbedingtes, das nicht mit sich verhandeln lässt. Ob Vipassana da aushelfen kann? Ich halte lieber den Mund. Aber dass einer in seinem Alter noch sucht, dass Joshua noch nicht speckschwartenschwer in seinem von Hypotheken umzingelten Vorstadt-Häuschen schmort und darüber nachdenkt, ob er vor seinem Selbstmord noch die Familie abknallen soll oder nicht, das allein ist schon Beweis genug, dass er »gesund« ist, noch zu unterscheiden weiß zwischen Träumen, die tot machen, und Träumen, die zu mehr Innigkeit, mehr Frechheit und Mut anstacheln.
    Ich klopfe an die Zelle von Jayden, dem zweiten Amerikaner hier. Ende vierzig, hager, fast kahl. Er saß rechts vor mir, ein guter Meditierer mit einer konzentrierten Ausstrahlung. Er war immer Vorbild für mich, wenn ich zu wetzen anfing. Auch von ihm ging etwas Warmes, »Gesammeltes« aus. Ironischerweise sagt er gleich, dass er wohl bemerkt habe, dass ich immer wieder die Position wechselte. Aber ich sei mit Rücksicht vorgegangen, so geräuschlos wie möglich. Immerhin.
    Jayden ist ausgebildeter Englischlehrer, lebt gewöhnlich in Kyoto, wo er mit einer Japanerin verheiratet ist. Aber irgendwann hatte er genug vom Sprachunterricht. Vor ein paar Monaten zog er nach Kathmandu und quartierte sich in einem Kloster ein. Um bei einem Meister das Malen von Thangkas zu lernen, von »buddhistischen« Bildern.
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