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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Autoren: Andreas Altmann
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Ende. Doch einmal trafen fünfundzwanzig Polizisten ein, bei denen die Medizin nicht anschlug. Bis zur dritten Nacht hielten sie still, dann liefen sie davon. Radikal entschlossen, weiterhin ganz unerleuchtet ihre Bambus-Prügel zu schwingen. Das schien ihnen – vorläufig zumindest – amüsanter und dem eigenen Frust zuträglicher, als »Einsicht« zu trainieren und loszulassen von vertraut gewordenen Reflexen.
    Aber Harisingh weiß auch Gutes über den Indian Police Service zu berichten, der dramatisch unterbezahlt und weltrekord-verdächtig korrupt auf dem Subkontinent sein Unwesen treibt. Was war? Vor ein paar Monaten stürmten revolverfuchtelnde Ganoven das Zentrum. (Nach der Attacke wurde der Stacheldraht auf den Mauern montiert!) Es geschah in der »Zwischenzeit«, während derer kein Kurs stattfindet. Sie forderten »money« und für die Zukunft »protection money«. Wohl um die Einrichtung ab dem nächsten Tag vor ihnen zu schützen. Für indische Ohren ist das ein durchaus logischer Satz. Wie dem auch sei: Sie hatten ein Häuflein Bargeldlose überfallen. Sie stöberten überall und fanden überall nichts. Mit leeren Jutesäcken zogen sie wieder ab.
    Nicht ohne Nachspiel. Denn einer von Harisinghs Söhnen arbeitet als Inspektor bei der Polizei. Die Missetäter wurden identifiziert und – unübertreffliches Indien – von der Polizei verwarnt: »Noch ein Überfall und wir räumen mit euch auf!« Verwarnt, nichts weiter. Nicht festgenommen, nicht angeklagt, nur markig informiert. Man könnte jetzt ein Buch über die Machenschaften schreiben, die zwischen den Gangster-Gangstern und den Polizisten-Gangstern liefen. Damit am Ende ein »Abkommen« ausgehandelt wird, das respektierlich aussieht und niemanden zwingt, sein Gesicht zu verlieren. Fest steht: Die Nächte sind wieder friedlich und keiner sucht hier mehr nach Geld, wo sie keines besitzen. Sicher ist diese Nachricht inzwischen überall angekommen. Auch bei allen Kleinkriminellen weit und breit.
    Um 18 Uhr nochmals eine Stunde Meditation in der Dhamma Hall . Irgendwann fällt mir Charles Darwin ein. Kein Wunder, die Welt feiert gerade den 200. Geburtstag des Genies. Seinen provozierenden Satz – »survival of the fittest« – könnte man auch auf Vipassana anwenden. Denn Darwin redete ja nicht vom Überleben der Stärksten, sondern davon, dass sich die am besten behaupten, die am klügsten auf ihre Umwelt reagieren. Ich will hier nichts anderes lernen, als souveräner mit den Unabänderlichkeiten des Lebens umzugehen. Lernen, mich – im besten Sinne des Wortes – »anzupassen«: den Veränderungen, auf die ich keinen Einfluss habe. Manche Evolutionsbiologen sprechen inzwischen vom »Survival of the kindest«. Das wären jene Männer und Frauen, die am freundlichsten miteinander umgehen, die talentierter für Freundschaften sind als die eisenharten Einzelkämpfer, die vor Misstrauen stinken. Denn unsere (Um-)Welt wird eben im Wesentlichen von anderen Menschen geprägt.
    Als ich merke, dass ich träume, wieder einmal darüber nachdenke, mit welcher Art von Wohltaten Vipassana mich überhäufen soll, kehre ich zurück zur Meditation. Ich will nicht träumen, will immer nur leben. Im Augenblick bedeutet das: sitzen, Rücken gerade, bewusst atmen. Je mehr ich fordere, desto weniger wird eintreffen. Ich weiß es und habe es noch immer nicht kapiert.
    19 Uhr, day ten discourse . Ein letzter Versuch Goenkas, das Unerklärbare zu erklären: dass das ruhige, vollkommen neutrale Beobachten der »Sensationen« in unserem Körper zu der Einsicht führt, dass ein »Ich« nicht vorhanden ist. Weil die Empfindungen kommen und – entscheidend – wieder verschwinden, sprich, nicht »permanent« sind. Wie kann einer sagen, »ich habe ein Ich«, wenn es sich um einen so launischen Gegenstand handelt, der einmal vorhanden ist und einmal nicht. Und mit dem Ich verschwinden, selbstredend, die Ängste, die Sorgen, das Pech. Oder, anders ausgedrückt: Nichts kann den Ichlosen mehr »berühren«, nichts mehr ihn ängstigen und verzweifeln lassen.
    Ich könnte noch zehntausend Reden des Inders hören und nicht einen Millimeter seiner (fixen) Idee näherkommen. Buddhas Idee, sagt er. Das ist mir zu sophistisch, zu abstrakt, zu weit weg von aller Wirklichkeit, die ich bisher erfahren habe. Vielleicht hat der liebe Alte Recht, aber diese Wahrheit scheint ganz nutzlos. So nutzlos wie der Gemeinplatz – auch von Goenka bemüht – vom »panta rhei«: Alles fließt! Ja, ja, wir
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