Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel
Autoren: Reclam
Vom Netzwerk:
[10] 2. Szene
    〈=
H 4,2

    Marie (mit ihrem Kind am Fenster). Margreth.
    Der Zapfenstreich geht vorbei, der Tambourmajor voran.
    MARIE (das Kind wippend auf dem Arm). He Bub! Sa ra ra ra! Hörst? Da kommen sie
    MARGRETH . Was ein Mann, wie ein Baum.
    MARIE . Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw.
    (Tambourmajor grüßt.)
    MARGRETH . Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin, so was is man an ihr nit gewöhnt.
    MARIE (singt).
           Soldaten, das sind schöne Bursch
    〈
Arbeitslücke von ein bis zwei Leerzeilen

    MARGRETH . Ihre Auge glänze ja noch.
    MARIE . Und wenn! Trag sie ihr Auge zum Jud und lass sie sie putze, vielleicht glänze sie noch, dass man sie für zwei Knöpf verkaufe könnt.
    MARGRETH . Was Sie? Sie? Frau Jungfer , ich bin eine honette Person , aber sie, sie guckt sieben Paar lederne Hose durch.
    MARIE . Luder ! (Schlägt das Fenster 〈zu〉.) Komm mein Bub. Was die Leut wollen. Bist doch nur en arm Hurenkind und machst deiner Mutter Freud mit deim unehrliche Gesicht . Sa! Sa! (Singt.)
    Mädel, was fangst du jetzt an
    Hast ein klein Kind und kein Mann
    Ei was frag ich danach
    Sing ich die ganze Nacht
    Heio popeio mein Bu. Juchhe!
    Gibt mir kein Mensch nix dazu.
    [11] Hansel spann deine sechs Schimmel an
    Gib ihn zu fresse aufs neu
    Kein Haber fresse sie
    Kein Wasser saufe sie
    Lauter kühle Wein muss es sein Juchhe
    Lauter kühle Wein muss es sein.
    (Es klopft am Fenster.)
    MARIE . Wer da? Bist du’s Franz? Komm herein!
    WOYZECK . Kann nit. Muss zum Verles .
    MARIE . Was hast du Franz?
    WOYZECK (geheimnisvoll). Marie, es war wieder was, viel, steht nicht geschrieben , und sieh da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom Ofen?
    MARIE . Mann!
    WOYZECK . Es ist hinter mir gegangen bis vor die Stadt. Was soll das werden?
    MARIE . Franz!
    WOYZECK . Ich muss fort (er geht).
    MARIE . Der Mann! So vergeistert . Er hat sein Kind nicht angesehn. Er schnappt noch über mit den Gedanken. Was bist so still, Bub? Furchst’ Dich? Es wird so dunkel, man meint, man wär blind. Sonst scheint doch als die Latern herein. Ich halt’s nicht aus. Es schauert mich (geht ab).

4. Szene
    〈=
H 4,4

    Marie sitzt, ihr Kind auf dem Schoß, ein Stückchen Spiegel in der Hand.
    〈 MARIE 〉 (bespiegelt sich). Was die Steine glänze! Was sind’s für? Was hat er gesagt? – Schlaf Bub! Drück die Auge zu, fest (das Kind versteckt die Augen hinter den Händen), noch fester, bleib so, still oder er holt dich. (Singt.)
    Mädel mach’s Ladel zu
    ’s kommt e Zigeunerbu
    Führt dich an deiner Hand
    Fort ins Zigeunerland.
    (Spiegelt sich wieder.) ’s ist gewiss Gold! Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel und doch hab’ ich einen so roten Mund als die großen Madamen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die ihnen die Händ’ küssen; ich bin nur ein arm Weibsbild. – (Das Kind richtet sich auf.) Still Bub, die Auge zu, das Schlafengelchen ! wie’s an der Wand läuft (sie blinkt mit dem Glas) die Auge zu, oder es sieht dir hinein, dass du blind wirst.
    (Woyzeck tritt herein, hinter sie. Sie fährt auf mit den Händen nach den Ohren.)
    WOYZECK . Was hast du?
    MARIE . Nix.
    WOYZECK . Unter deinen Fingern glänzt’s ja.
    MARIE . Ein Ohrringlein; hab’s gefunden.
    WOYZECK . Ich hab’ so noch nix gefunden, zwei auf einmal.
    [15] MARIE . Bin ich ein Mensch?
    WOYZECK . ’s ist gut, Marie. – Was der Bub schläft. Greif’ ihm unters Ärmchen der Stuhl drückt ihn. Die hellen Tropfen steh’n ihm auf der Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf. Wir arme Leut! Das is wieder Geld Marie, die Löhnung und was von mein’m Hauptmann.
    MARIE . Gott vergelt’s Franz.
    WOYZECK . Ich muss fort. Heut Abend, Marie. Adies.
    MARIE (allein nach einer Pause). Ich bin doch ein schlecht Mensch. Ich könnt’ mich erstechen. – Ach! Was Welt? Geht doch alles zum Teufel, Mann und Weib.

6. Szene
    〈=
H 4,6

    Marie. Tambourmajor.
    TAMBOURMAJOR . Marie!
    MARIE (ihn ansehend, mit Ausdruck). Geh’ einmal vor dich hin. – Über die Brust wie ein Stier und ein Bart wie ein Löw .. So ist keiner .. Ich bin stolz vor allen Weibern .
    TAMBOURMAJOR . Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab’ und die weißen Handschuh, Donnerwetter, Marie, der Prinz sagt immer: Mensch, er ist ein Kerl.
    MARIE (spöttisch). Ach was! (Tritt vor ihn hin.) Mann!
    [18] TAMBOURMAJOR . Und du bist auch ein Weibsbild, Sapperment , wir wollen eine Zucht von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher