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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy
Autoren: Jordan Sonnenblick
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Willkommen
in Nirgendsville
    Also. Achte Klasse. Zweites Halbjahr. Neuer Bundesstaat. Mathe war Mathe – Algebra natürlich. Den Asiaten stecken sie immer in die Algebraklasse. Physik war Physik. Zum Glück weiß ich, wie man ein blödes kleines Blechauto eine Rampe hinunterfahren lässt und dabei die Stoppuhr benutzt, also echt kein Problem. In Englisch fand ich am ersten Tag nur heraus, dass die Lehrerin spinnt. Auch wieder das Gleiche, nur in einer anderen Zeitzone. Turnen, Mittagspause – ich verbesserte meine Fähigkeit, zu stehen und in der Ecke zu sitzen. Ich führte außerdem die alte Tradition fort, in der Cafeteria nichts als Pasta und Obst zu essen. Ich hatte noch nie eine staatliche Schule besucht, in der die Küchenleute wussten, wie man Fleisch richtig zubereitet. Oh, das Fach Hauswirtschaft hätte ich fast vergessen. Schokokekse. Mit Apfelmus gebacken. Kein Wunder, dass die amerikanischen Jugendlichen nicht mehr wissen, wo’s langgeht.
    Erst in der allerletzten Stunde wachte ich auf. In Houston hatten wir ein ganzes Jahr lang Amerikanische Geschichte gelernt. Aber diese Schule in Pennsylvania hatte aus irgendeinem seltsamen Grund einen Zuschuss dafür bekommen, dass sie etwas über die Antike lehrte. Das bedeutete zweierlei:
    Erstens : Wir würden fünf Monate lang genau das Gleiche durchnehmen, das ich bereits in der siebten Klasse gelernt hatte. Aber von Pyramiden kann man schließlich nie genug kriegen, oder?
    Zweitens : Ich würde die komplette zweite Hälfte der Vergangenheit meines Landes verpassen. Was wirklich doof ist. Ich hatte mich nämlich darauf gefreut, zu erfahren, wie die Sache mit der Revolution ausgegangen ist.
    Jedenfalls betrat ich an jenem Tag die Sozialkundeklasse allein. Ich lungerte an der Tür herum, bis ich sah, welche Plätze frei blieben. Dann schob ich mich an der Wand entlang und setzte mich genau in dem Moment auf einen Stuhl, als sich der Lehrer räusperte, um die Klasse zum Schweigen zu bringen – wobei ich das Glück hatte, dass meinem Stuhl ein halbes Hinterbein fehlte. Mit einem großartigen PENG landete ich auf dem Boden. Die ganze Klasse drehte sich um und genoss den Anblick, wie meine Hefte, Kugelschreiber, Bleistifte und mein durchsichtiger Rucksack auf mich herabregneten.
    Mann!
    Der Lehrer kam angelaufen und streckte mir eine Hand entgegen, um mich hochzuziehen. Dabei fiel mir auf, dass seine Augen blitzten. Wirklich und wahrhaftig. Wie seltsam war das denn? Der Typ hatte einen weißen Bart im pausbäckigen, knallroten Gesicht und funkelnde Augen. Und jetzt kugelte mir der Weihnachtsmann den Arm aus. Eine zarte Stimme in meinem Kopf sagte: Bleib liegen! Bleib liegen! Aber der Weihnachtsmann wollte nichts davon wissen. Wenn der Typ nicht gerade durch den Kamin rutschte und Päckchen auslieferte, trainierte er sicher für Olympia.
    Â»Hallo!«, kam es dröhnend. Dann schwieg er und funkelte mich freundlich an, während ich versuchte, mir unauffällig Bleistiftspitzerspäne aus den Haaren über dem linken Ohr zu wischen. Ich wartete auf eine witzige Bemerkung wie: »Nett von dir, dich bei uns niederzulassen, haha!« Oder: »Hey, Barkeeper! Bringen Sie mir das, was der Junge trinkt!« Aber Sekunden später sagte Santa nur: »Du musst San Lee sein. Ich wusste schon, dass du diese Woche zu uns kommst. Ich bin Mr Dowd. Willkommen an unserer Schule! Du bist genau zum richtigen Zeitpunkt erschienen, denn wir beginnen heute mit etwas Neuem …«
    Ich blendete das pädagogische Geschwafel aus und sah mich stattdessen in der Klasse um. Einige hatten den Gesichtsausdruck, den ich bereits in fünf anderen Bundesstaaten und auf einem Flugstützpunkt in Deutschland gesehen hatte: Der Neue ist hingefallen! Cooooooool! Andere schauten einfach durch mich durch, als wollten sie sagen: Der Neue hat in meiner kleinen Welt, die sich in Pennsylvania abspielt, keine Bedeutung . Und ein Mädchen mit einer wilden braunen Frisur, die an einen aztekischen Tempel erinnerte, und einem Beatles-T-Shirt blickte über kleine, lila getönte Brillengläser hinweg und schenkte mir ein Lächeln, das ich bis zu den klatschnassen Socken spürte. Sie hatte knallgraue Augen, die direkt in meine schauten, hohe Wangenknochen und superperfekte Zähne – insgesamt ein total fesselnder Look. Leider wurde ich vom Gesicht des Beatles-Mädchens dermaßen abgelenkt, dass
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