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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel
Autoren: Reclam
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historisch-kritischen Ausgabe. 1 Die Orthographie wurde behutsam modernisiert. Jedoch wurden die Schreibung der Personalpronomina, die Apostrophe und die Zeichensetzung weitgehend bewahrt.
    (2) Herkunft des Materials aus verschiedenen Handschriften
    Büchner beschrieb zunächst fünf Doppelblätter im Folio-Format (etwas größer als DIN A4), und zwar – wie wir inzwischen wissen 2 – in Straßburg zwischen etwa Ende Juli und Anfang Oktober 1836. Auf den ersten zwei Doppelblättern (und dem Anfang des dritten) notierte er den gesamten Dramenablauf, den Entwurf H1; auf den folgenden drei Doppelblättern notierte er eine erweiterte Fassung des Dramenanfangs, den Entwurf H2. In Zürich schrieb er weiter auf Papier im Quartformat (etwas größer als DIN A5), wobei er jeweils zwei Doppelblätter heftartig ineinanderlegte. Die drei derart gelegten »Hefte« bilden die Handschrift H4, ein einzelnes Quartblatt bezeichnen wir als H3. H4 hat eine sichere Lücke zwischen der 2. und der 4. Szene, eine mögliche Lücke zwischen der 9. und der 10. Szene – dies ist zugleich der Übergang von »Heft« 2 zu »Heft« 3 –, und sie bricht ab nach Szene 17, der Testamentsszene. Auf dem Quartblatt befinden sich die Szenen 10 (»Hof des Professors«) und 27 (»Der Idiot. Das Kind. Woyzeck.«). Die Folioblätter sind weitgehend [83] erste Entwürfe, die erste Hälfte von H4 (H4,1 und 2, H4,4 und 5) hat fast die Qualität einer Reinschrift, das dritte Quartheft (hier Szene 11–18) und Szene 10 (Quartblatt) sind wiederum flüchtig und entwurfhaft geschrieben. Die Szenen, die wir hier als Lesefassung in eine Reihe stellen, weisen also ganz unterschiedliche Reifegrade auf und beruhen zum Teil auf unterschiedlichen inhaltlichen Konzeptionen.
    Wir markieren die Herkunft des Materials durch zwei unterschiedliche Schriftarten:
    – Text mit Serifen stammt aus der Handschrift H4;
    – Text ohne Serifen stammt aus den anderen Handschriften.
    Außerdem geben wir in jedem Szenenkopf an, aus welcher Handschrift die jeweilige Szene stammt. Dabei gilt im Einzelnen: Szene 3 ist montiert aus Material der Foliohandschriften H1 und H2; Szene 9 (zweiter Teil) stammt aus H2; Szene 10 stammt aus H3; die Szenen 19–26 bilden das Ende von H1, dem ersten Entwurf; Szene 27 steht auf der Rückseite des Quartblattes H3 und wurde vermutlich sehr spät verfasst. Die Hauptfiguren des Dramas hießen in H1 noch Louis und Margreth; deshalb erscheint zum Beispiel der Name Woyzeck in den Szenen 19–26 in der für H4 gewählten Drucktype.
    (3) Anordnung der Szenen
    Wir folgen bei der Anordnung der Szenen der Reihenfolge zunächst in H4, dann in H1 und füllen die Lücken, so gut wir können. Nach Szene H4,2 (2. Szene) ließ Büchner selbst die Lücke, die wir hier auffüllen. Nach Szene H4,9 (9. Szene) ließ er wahrscheinlich wieder eine Lücke; die Auffüllung, die wir hier vornehmen, ist ein Notbehelf, denn in ihr reagiert Woyzeck, als ihn der Hauptmann höhnisch auf Maries Untreue aufmerksam macht, konsterniert, was der Stufe H2 entspricht, aber zu H4 nicht mehr passt. Der Anschluss von der Testamentsszene [84] (18. Szene und das Ende von H4) zu der Szene, in der Woyzeck Marie scheinbar für einen Spaziergang abholt (19. Szene), scheint schlüssig. Ebenso folgt die Szene H3,2 (27. Szene), in der der »Narr« seinen Spruch »der is ins Wasser gefallen« wiederholt, gut auf die 25. Szene, in der Woyzeck sich an einem Teich das Blut abgewaschen hat. Diese spät geschriebene Szene ist zugleich ein Beleg dafür, dass Büchner das in H1 konzipierte Dramenende im Wesentlichen bewahren wollte.
    Schwierig ist die Einordnung der Szene H3,1 »Der Hof des Professors«. Sie wurde in anderen Ausgaben nach unserer Szene 18 – also hinter H4 – oder aber nach unserer Szene 3 platziert. 3 Das Erste scheint zu spät, denn Woyzeck ist zu diesem Zeitpunkt durch den Gedanken an den Mord absorbiert; das andere scheint zu früh, denn es passt nicht zu Woyzecks Tagesablauf, der mit dem Besuch bei Marie beginnt und ihn über das Rasieren des Hauptmanns zur Urinprobe beim Doktor führt, Tätigkeiten, die tageszeitlich früher liegen müssen als der Unterricht des Professors (und des Doktors) vor versammelten Studenten. Unser Vorschlag platziert die Szene – wenn man an die Handschrift denkt – zwischen dem zweiten und dritten »Heft« von H4; er ist aber auch dramaturgisch gut vertretbar, wie ich von einem Berliner Regisseur erfuhr. Von ihm stammt diese Idee, und ihm sei dafür
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