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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Es war kurz vor der Abzweigung nach Bou Akbir, als es Bob Miller schlecht wurde. Mit zurückgelehntem Kopf saß er da, preßte die flachen Hände gegen den Leib und stöhnte leise auf. Luciano Pella, der neben ihm hockte und den schweren Lastwagen fuhr, blickte kurz zur Seite und bremste dann scharf. Eine gelbweiße Staubwolke hüllte sie sofort ein und blieb in der heißen Luft hängen wie ein Vorhang.
    Um sie herum war die Wüste, die glühende Sahara, die ›unendlich Schweigende‹, wie der Araber sie nennt. Leicht gewellte Sandhügel, in die der Wind schlangenförmige Muster gegraben hatte. Geröllstreifen, gebleichte Felsen, flimmernde Einsamkeit. Und darüber ein weißblauer Himmel, aus dem die Sonne gnadenlos eine Glut schleuderte, in der alles verbrannte, zusammenschrumpfte, erstarb, was nicht aus feinem Sand war oder sich retten konnte in die Nähe von Wasser.
    Die Straße, schnurgerade durch diese Grenzenlosigkeit gezogen, auf dem Reißbrett konstruiert, mit Bulldozern ausgeschaufelt und von riesigen Walzen festgestampft, nur sichtbar an den Masten, die sich scheinbar völlig sinnlos durch den Sand zogen … links die Elektrokabel, rechts die Telefonleitung … diese verhaßte, verfluchte, bespuckte, aber lebensnotwendige Straße von Zaouia el Kahla nach Bou Akbir, der Oase, schälte sich jetzt wieder langsam aus der Staubwolke. Der aufgewirbelte Sand sank zurück und puderte den schweren Lastwagen ein.
    »Was ist?« fragte Luciano Pella und stieß Bob Miller in die Seite. Bob stöhnte wieder und verdrehte die Augen.
    »Der Magen, Junge. Verdammt, der Magen. Ich muß kotzen …«
    »Dann 'raus! Ich hab' was gegen gegorenen Brei im Wagen!« Luciano Pella öffnete die Tür an seiner Seite und sprang aus der hohen Fahrerkabine in den Sand. Er war ein junger, kleiner, aber ungemein muskulöser Italiener. Ein fröhlicher Kerl, der gern sang – welcher Italiener singt nicht gern? –, im Lager einmal wöchentlich Spaghetti kochte oder eine Riesenpizza buk und ab und zu, vor allem an den Abenden, am Fenster der Baracke saß und von Messina träumte. Warum er in die Wüste gekommen war, hier Lastwagen durch die glühende Sahara fuhr, in einem Ölcamp lebte, drei Monate lang keine Frau sah und trotzdem mit allem zufrieden war, wußte niemand. Man fragte auch nicht. Hier, in der Wüste, waren Fragen Luxus. Woher einer kam, wie er wirklich hieß, warum er bei 60 Grad in der Sonne nach Öl bohrte … das war ohne Bedeutung. Nur die Arbeit galt, das Durchhalten in dieser glutenden Hölle, das Zusammenbeißen der Zähne, das Herunterklappern der Stunden am Bohrturm, in der Energiestation, an der Pumpstation, an der Pipeline, im Magazin … oder im Lastwagen, dessen Steuer man nur mit Handschuhen anfassen konnte, weil sonst die Haut an den Händen in Fetzen abging und am heißen Lenkrad kleben blieb.
    Auch Bob Miller hieß nicht Bob Miller … wen kümmerte das? Als er sich bei der Hauptverwaltung der französisch-amerikanischen Ölgesellschaft ›Sahara-Petrol‹ vorstellte, ein Bulle von Kerl, dessen Armmuskeln den Anzug sprengten und dessen Hemd beim tiefen Einatmen jedesmal aufklaffte, notierte man seinen Namen Miller, ließ ihn den Verpflichtungsschein unterschreiben und schickte ihn dann mit einem Flugzeug von Marseille über Algier direkt in die Wüste, nach Hassi-Messaoud, der Zentrale für die Verwaltung der Außenstellen.Das war ein vornehmer Name für die elenden Bohrcamps mitten in der Sahara, für diese armseligen, auf dem Rücken des Satans lebenden Gruppen von Männern, die, verstreut im glutenden Sand wie weggeschüttelte Schweißtropfen Gottes, in die Tiefe der Wüste bohrten und dort das schwarze, stinkende Gold an die Oberfläche holten: Erdöl … die Energie, die eine ganze Welt in Bewegung hält.
    Bob Miller kletterte nun auch aus dem Glutkasten des Fahrerhauses und lehnte sich draußen gegen den Wagen. Er würgte, dicker Schweiß stand auf seiner Stirn, und Luciano wunderte sich darüber. Noch nie hatte einer Bob schwitzen gesehen, selbst nicht in der Sonne am Bohrgestänge. »Er muß alle Flüssigkeit auspissen, sonst ist's nicht erklärbar«, hatte einmal Pierre Serrat, der Vorarbeiter, gesagt. Aber jetzt, hier auf der Wüstenpiste, im mageren Schatten des Lastwagenaufbaues, krümmte sich Bob Miller, schwitzte, als sei seine Haut ein Sieb, und dann preßte er die Stirn gegen das gelb gestrichene Holz der Ladeklappe und keuchte.
    Luciano steckte sich eine Zigarette an und hob die
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