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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schultern.
    »Das kommt vom Saufen«, sagte er. »Zwei Tage in el Kahla, und schon laßt ihr euch vollaufen wie die Wassersäcke. Und dann noch die verdammten Ouled Nail-Huren! Irgendwo nagt das an den Knochen, Bob.«
    Bob Miller schüttelte den Kopf. Er hatte keine Kraft mehr, zu sprechen … ein widerlich saurer Brei stieg ihm in der Speiseröhre hoch und drängte in die Mundhöhle.
    Er beugte sich zu den hohen Zwillingsrädern vor, umklammerte das heiße Schutzblech und erbrach. Sein ganzer, massiger Körper zuckte dabei … dann lehnte er wieder am Aufbau und atmete kaum. Luciano kam näher und zog kräftig an seiner schwarzen Zigarette – algerisches Kraut, scharf wie Möbelbeize – und betrachtete das, was Bob erbrochen hatte.
    »Da ist ja Blut drin –«, sagte er plötzlich. »Mensch, Bob … das ist Blut! Junge!« Er schob die Zigarette in den linken Mundwinkel und faßte seinen Freund an der Schulter. Mühelos ließ sich Bob herumdrehen, als stände er auf einer Drehscheibe. Miller hatte die Augen geschlossen, sein breites Gesicht war verzerrt und merkwürdig leer. Das Braun der Haut war fahl geworden, wie gebleichtes, altes Leder. Er hatte noch immer die Hände auf den Leib gedrückt und schien überhaupt nicht mehr zu reagieren.
    »Bob –«, sagte Luciano leise. Seine sonst so klingende Stimme war plötzlich dumpf und heiser. »Das ist Blut. Bob, mein Gott, wenn du die verdammte Hadjar-Krankheit hast … Wir müssen sofort zurück! Wir schaffen es noch bis el Kahla. Du mußt sofort ins Hospital.«
    Bob Miller schüttelte den Kopf. Er atmete ein paarmal tief durch, und es klang, als sauge ein riesiger Blasebalg Luft ein. Mit merkwürdig staksigen Schritten ging er zum Fahrerhaus zurück und hielt sich dabei an der Wagenwand fest.
    »Es ist schon besser«, sagte er. »Los, du italienischer Floh, fahr weiter! Darf ein ausgewachsener Mensch nicht mal kotzen? Das war gestern zuviel … das ist alles. Der verfluchte Calvados, und dann die Weiber!« Er blieb an den beiden Trittstufen, die hinauf in die Kabine führten, stehen und drehte sich zu Luciano um. Der Italiener folgte ihm; in seinen großen, dunkelbraunen Kinderaugen hockte die Angst um Bob Miller.
    Die Hadjar-Krankheit! Gnade uns Gott! Wenn sie mit Bob jetzt zu den Ölcamps kommt, kann das große, unrettbare, qualvolle Sterben beginnen. Dann werden sie an den Bohrtürmen zusammenbrechen, sich im Sand wälzen und brüllen vor Schmerzen, und keiner wird ihnen helfen können, weil man nicht weiß, woher diese Krankheit kommt. Sie werden sich in Krämpfen winden und dann Blut spucken, so lange Blut, bis der Körper nicht mehr mitmacht und kapituliert.
    So war es in In Adeb … in Qued el Fezzan … in Azaoua und in Massif.
    Die Männer starben wie die Fliegen. Ein ganzes Bohrcamp war ausgelöscht, ehe man in der nächsten Station etwas merkte und erst nach zwei Tagen nachsah, was eigentlich los war. Kein Telefon mehr, keine Funkverbindung, kein Tagesbericht für Hassi-Messaoud.
    Als ein Ingenieur mit einem Hubschrauber landete, fand er einen Haufen verwesender Leichen. Zuerst dachte man an einen heimtückischen Überfall fanatisierter, nationaler Araber … aber dann fand man keine äußeren Verletzungen an den Körpern, aber überall Erbrochenes, durchsetzt mit Blut.
    Einen Tag später schafften zwei Hubschrauberstaffeln alle Toten in Zinkkisten weg nach Hassi-Messaoud und von dort mit einer großen Maschine der ›Sahara-Petrol‹ nach Algier. Von da ab hörte man nichts mehr … nur langsam sickerte etwas durch und kroch wie Sirup von Oase zu Oase, von Bohrloch zu Bohrloch, von einer Wasserstelle zur anderen, die Pipeline entlang, bis in die fernsten, einsamsten Wüstenwinkel, wo selbst die Sandflöhe vor Einsamkeit weinen: Es ist eine neue Krankheit! Niemand kennt sie. Es gibt kein Medikament dagegen. Keine Pillen, keine Tropfen, keine Spritzen. Man kann nur sterben. Die Hadjar-Krankheit nennen sie dieses hilflose Sterben, nach dem Wadi Hadjar mitten im Großen östlichen Erg, wo die Krankheit zuerst entdeckt wurde.
    Luciano Pella betrachtete seinen Freund Bob Miller kritisch, wie sich dieser in das Fahrerhaus zog und auf den Sitz plumpsen ließ.
    »Fahr los!« sagte Bob und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. »Zu Hause leg ich mich hin und freß Haferschleim. Dieser verdammte Schnaps und die Weiber! Vier auf einmal kamen ins Zimmer. Puppen wie aus dem Katalog! Aber Bob Miller hat sie geschafft! Los, du traurige Spaghetti – steig
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