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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter
Autoren: Daniel Silva
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LlLY UND NlCHOLAS
    Die als »die Unruhen« bekannte gegenwärtige Periode der Gewalt hat in Nordirland im August 1969 begonnen. Grob gesagt handelt es sich dabei um einen Konflikt zwischen den Republikanern, die überwiegend katholisch sind und die Vereinigung des Nordens mit der Republik Irland anstreben, und den Unionisten oder Loyalisten, die überwiegend protestantisch sind und die Union zwischen der Provinz Ulster und dem Vereinigten Königreich erhalten wollen. Beide Seiten haben eine regelrechte Buchstabensuppe aus paramilitärischen Gruppierungen und terroristischen Organisationen  hervorgebracht. Die berühmteste ist natürlich die provisorische Irisch-Republikanische Armee, die IRA. Sie hat in Nordirland und Großbritannien Hunderte von Attentaten und Tausende von Bombenanschlägen verübt, 1984 wäre es ihr fast gelungen, Premierministerin Margaret Thatcher und ihre Regierung in einem Hotel im englischen Seebad Brighton in die Luft zu jagen.
    Und 1991 hat sie die Downing Street, das britische Regierungszentrum, mit einem Granatwerfer beschossen. Auch die Loyalisten haben ihre Heckenschützen und Bombenleger-die UVF, die UDA und die UFF, um nur einige von ihnen zu nennen -, auf deren Konto ebenfalls gräßliche Terroranschläge gehen. Tatsächlich sind die meisten der seit Ausbruch der Unruhen ermordeten dreieinhalbtausend Menschen Katholiken gewesen.
    Aber die Gewalttätigkeiten haben nicht erst 1969 begonnen.
    In Nordirland haben Katholiken und Protestanten einander nicht erst seit Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten umgebracht. Geschichtliche Wendemarken sind manchmal schwer zu fixieren, aber für die Protestanten bezeichnet das Jahr 1690 den Beginn ihrer Vorherrschaft im Norden. In diesem Jahr besiegte Wilhelm von Oranien in Irland den katholischen König Jakob II. in der Schlacht am Boyne. Bis heute feiern die  Protestanten Wilhelms Sieg über die Katholiken mit einer Reihe von lärmenden und manchmal provozierenden Umzügen. In Nordirland heißt diese Zeit »die Marschsaison«.
    Am 22. Mai 1998 stimmte die Bevölkerung Nordirlands für die Annahme des am Karfreitag geschlossenen  Friedensabkommens, das eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Katholiken und Protestanten vorsieht. Aber die Menschen in Ulster vergessen nicht leicht, und keine der beiden Seiten hat sich bisher zu der Erklärung durchgerungen, der Bürgerkrieg sei nun wirklich beendet. Tatsächlich hat es seit dem Referendum mehrere abscheuliche Terroranschläge gegeben, darunter den Bombenanschlag in Omagh mit achtundzwanzig Toten - der blutigste einzelne Terrorakt in der Geschichte der Unruhen - und einen Brandanschlag in Ballymoney, bei dem drei katholische Kinder verbrannten. In beiden nordirischen Konfliktparteien - Katholiken und Protestanten, Republikaner und Unionisten - gibt es offenbar weiterhin gewaltbereite Männer, die nicht vergessen können und nicht zu vergeben bereit sind. Einige dieser Männer sind im Untergrund aktiv, um das Friedensabkommen zu torpedieren.
    Das könnte etwa folgendermaßen ablaufen ...

JANUAR
     

    BELFAST • DUBLIN • LONDON
     
    Eamonn Dillon von der Sinn Fein starb als erster, und er fand den Tod, weil er auf ein Glas Lager in die Celtic Bar gehen wollte, bevor er die Falls Road hinauf weiterging, um an einer Versammlung in Andersontown teilzunehmen. Zwanzig Minuten vor Dillons Tod hastete sein Mörder etwas weiter östlich in kaltem Regen über die Gehsteige des Stadtzentrums von Belfast. Er trug eine dunkelgrüne Öljacke mit braunem Cordsamtkragen. Sein Deckname war Black Sheep.
    Die Luft roch nach Meer und schwach nach den verrostenden Werften am Belfast Lough. Es war erst kurz nach vier, aber bereits dunkel. An Winterabenden in Belfast sinkt die Nacht früh herab; der Morgen dämmert nur zögernd herauf. Das Stadtzentrum lag im gelben Licht von Natriumdampflampen, aber Black Sheep wußte, daß West Belfast, sein Ziel, wie während der Verdunklung im Krieg aussehen würde.
    Er folgte der Great Victoria Street weiter nach Norden, vorbei an der seltsamen Mischung aus alt und neu, die für das Belfaster Stadtzentrum charakteristisch ist eine ständige Erinnerung daran, daß diese wenigen Straßenblocks unzählige Male durch Bombenanschläge zerstört und wiederaufgebaut worden sind. Er kam an der prachtvollen Fassade des Hotels Europa vorbei, das als das am häufigsten durch Bombenanschläge beschädigte Hotel der Welt gilt. Er kam an der neuen Oper vorbei und fragte sich, wieso
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