Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Haben Sie erst Ihre Schuhe auf den Sand gesetzt, sind Sie verloren.«
    »Landen Sie, Léon.« Dr. Bender lächelte etwas verzerrt. »Ich habe eine Aufgabe übernommen und wußte, wohin sie führt. Kneifen gibt es nicht. Schließlich bin ich gekommen, um zu helfen.«
    »Für ein elendes Drecksgehalt, nicht wahr, docteur?«
    »Wie man's nimmt. Ich verdiene mehr als in Deutschland. Dort ist ein junger Arzt mit eigenen Ideen noch immer ein Sohn des Beelzebubs.«
    »Und da mußte es ausgerechnet die Sahara sein?«
    »Die Krankheiten, mein Lieber, suchen sich nicht immer ein gemütliches Bett aus.« Dr. Bender blickte wieder hinunter auf die Station XI, diese lächerlich kleine Warze am Körper der großen Wüste. Sie kreisten jetzt um den Wasserturm und sahen, daß die wenigen Männer, die zwischen den Baracken herumliefen, nicht einmal den Kopf hoben und zu ihnen hinaufstarrten. Es war, als seien sie alle taub und hörten nicht das Gedröhn der Rotorflügel. »Das scheinen merkwürdige Kerle zu sein. Ein Flugzeug interessiert sie gar nicht.«
    »Man hat Sie avisiert, docteur …«
    »Was heißt das?«
    »Die Verwaltung in Hassi-Messaoud hat telefonisch Ihr Kommen angemeldet.« Léon Boucher ging tiefer und flog den gewalzten Landeplatz zwischen Bohrturm I und II an. »Glauben Sie nicht, daß man Sie unten mit Girlanden und Ehrenjungfrauen empfängt. Auch das Ölbohrer-Orchester wird keinen Triumphmarsch blasen. Sie kommen als Außenseiter, als Schnüffler, als Störenfried … als unerwünschte Person, um es milde auszudrücken.«
    »Aber das ist doch idiotisch. Ich will ihnen doch nur helfen.«
    »Sie wollen aber nicht geholfen haben.« Boucher schwebte über dem Landeplatz. Er blieb in der Luft stehen und sank Meter um Meter tiefer. Die Motoren brüllten. »Sie werden sich wundern, docteur, was das für Menschen sind. Der einzige, der Sie beachten wird, kann Jules sein … aber nur, weil er schwul ist. Die anderen … na, erleben Sie das mal selbst! Gut, daß es ein Telefon gibt … ich hole Sie sofort ab, wenn Sie anrufen: Léon, ich hab die Schnauze voll!«
    Der Hubschrauber sackte ab, die Kufen bekamen Grund, staubfeiner Sand wirbelte hoch und hüllte alles in einen körnigen Nebel ein. Erst als die Propeller ausliefen und die Sandwolke zusammensank, öffnete Boucher die Glaskanzel und winkte Dr. Bender zu.
    »Bitte, docteur, Sie zuerst! Aha … das Empfangskomitee.«
    Dr. Bender sprang aus der Kanzel in den Sand. Zehn Meter vor ihm stand ein einzelner Mann, breitbeinig, wie in die Wüste gerammt, ein Denkmal von Kraft und Trotz: die Eroberer der Wüste. Ein Kerl wie ein Schrank, auf dem Kopf ein weißes Käppi, ähnlich denen der Fremdenlegion, aber zerknautschter, ölbeschmiert, vom Wüstensand gepudert. Hellblaue Hosen, ein kariertes Hemd, und darunter ein Berg aus Muskeln.
    »Hallo, Léon!« sagte der Mann und hob kurz die Hand. Dann schwieg er wieder und sah Dr. Bender mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Das ist Pierre Serrat, der Vorarbeiter«, erklärte Boucher und lud die Koffer Dr. Benders aus. »Wenn er Ihnen die Hand drückt, gehört die Wüste Ihnen … soviel ist das wert. Aber er wird nicht drücken.«
    Dr. Bender sah sich um, ohne Pierre Serrats herausfordernde Haltung zu beachten. Die Trostlosigkeit dieses Camps war bedrückend … daß Menschen hier monatelang lebten, war fast ein Wunder. Was tut man nicht alles für Geld, dachte er. Oder haben sie alle einen Grund, die Einsamkeit als neue Heimat anzusehen? Das hier ist ein kannibalisches Land … wer es überlebt, muß ein noch größerer Kannibale sein!
    »Schön!« sagte Dr. Bender zur großen Verblüffung Bouchers. »Es gefällt mir hier.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst, docteur?«
    »Mein vollster, Léon. Ich habe immer einen Ort gesucht, wo Ruhe ist. Nun habe ich ihn gefunden … hier haben selbst die Menschen ihre Stimme mit Sand verklebt.«
    Pierre Serrat verstand. Sein dicker Bullenkopf senkte sich angriffslustig.
    »Wir haben niemanden angefordert!« sagte er rauh. »Einen Arzt schon gar nicht! Was hier krank wird, versorgen wir allein! Sie werden sich langweilen.«
    »Das glaube ich nicht.« Dr. Bender kam auf den riesigen Serrat zu. Kurz vor ihm blieb er stehen und streckte ihm die Hand hin. »Sie waren Legionär?«
    Pierre übersah die Hand. »Ja –«, antwortete er kurz.
    »Ich sehe es an Ihrem Käppi. Wie lange?«
    »Fünfzehn Jahre. Corporal …«
    »Dann kann ich Ihnen einen Gruß ausrichten. Ich habe ein Bataillon von Ihnen auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher