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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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inspizierte er die Krankenstation. Der Pilot Léon Boucher war wieder abgeflogen, nicht ohne vorher noch einmal zu Dr. Bender gesagt zu haben: »Docteur … steigen Sie ein und kommen Sie mit. Sie sind nicht der zähe Bursche, der diese Hölle aushält. Sand, Wind und Sonne allein … das läßt sich noch ertragen … aber die zweiundvierzig Kerle hier, diese zweiundvierzig Teufel … die schaffen Sie nie!«
    Dr. Bender hatte stumm den Kopf geschüttelt, Boucher die Hand gedrückt und war ins Haus zurückgegangen. Dort half ihm niemand beim Einräumen seines Gepäckes. Er mußte die Kisten mit den wichtigsten Laborgeräten allein hereinschleppen, und vier Männer aus dem Camp standen draußen herum, die Hände in den Hosentaschen, und grinsten ihn an.
    Die Krankenbaracke war ein elender Stall, nach europäischen Begriffen. Die Wände waren weiß getüncht, nur im Untersuchungszimmer gab es fließendes Wasser, das mit einer Pumpe aus dem Wasserturm angesogen wurde. Die Betten, einfache, aus ungehobeltem Holz gezimmerte Gestelle, hatten Auflagen aus Seegrasmatratzen und waren mit Decken überzogen. Nur Schwester Cathérine und jetzt auch Dr. Bender hatten weiße Bettwäsche.
    Als er seine Visite begann, erlebte Dr. Bender eine neue Überraschung: Schwester Cathérine erwartete ihn auf dem Flur in Schwesterntracht, mit einem blauweiß karierten Kleid, einer weißen Schürze und einem etwas verbeulten Häubchen auf den fahlblonden, kurzen Haaren. Erstaunt stellte Dr. Bender fest, daß sie weibliche Formen hatte: einen kleinen, spitzen Busen, schöne, runde Hüften und schlanke, ziemlich lange Beine.
    Was allein an diesem Bild störte, war wieder der breite Ledergürtel mit der offen getragenen Pistole … Cathérine hatte ihn über die weiße Schürze geschnallt … der schwarze Pistolenknauf lag griffbereit.
    Dr. Bender vermied, jetzt schon Fragen zu stellen. Er nickte ihr zu und knöpfte seinen weißen Arztmantel zu. Cathérine lächelte ihn schief an. Weißer Kittel, Membranstethoskop in der Tasche, Blutdruckmesser in der linken Hand … als ob das hier eine Station in der Mayo-Klinik wäre! Brüllen vor Lachen werden die Kerle, wenn sie ihn so sehen. Über Hämorrhoiden werden sie klagen, nur um ihm ihren ungewaschenen Hintern zeigen zu können! Wie war das damals, als sie nach Station XI kam, zusammen mit dem Sanitäter Felice? Da standen die Kerle grinsend Schlange vor der Ambulanz und klagten über Schwellungen am Unterleib. Felice prügelte sie aus dem Zimmer. Der gute Felice … er verdorrte vor einem Jahr, trocknete buchstäblich aus, und als man ihn nach Ouargla flog, war's schon zu spät. Aber Cathérine blieb, und alle hatten höllischen Respekt vor ihr.
    »Na, dann wollen wir mal!« sagte Dr. Bender mit krampfhafter Fröhlichkeit. »Wieviel Kranke haben wir?«
    »Vier.«
    »Von allen Bohrstationen?«
    »Ja. Leichte Unfälle werden gar nicht mehr gemeldet … die versorgen sich selbst. Jeder Bohrturm hat einen Verbandskasten.«
    »Und diese vier?«
    »Eine Gelbsucht, eine Fußquetschung, ein Malariaanfall und – na ja –«
    »Na ja? Eine neue Krankheit? Kenne ich noch nicht …«
    »Ein Tripper«, sagte Cathérine mürrisch. »Das Schwein hat ihn aus el Kahla mitgebracht.«
    Dr. Bender schielte aus den Augenwinkeln zu Cathérine. Ist sie so völlig mannhaft, oder spielt sie nur das Mannweib? Wenn sie die Haare länger wachsen ließe, in weichen Wellen bis zur Schulter … sie könnte hübsch aussehen. Hat sie noch nie ihren Körper im Spiegel gesehen? Ihr Mund beleidigt ihn mit jedem Wort.
    »Gehen wir!« Dr. Bender riß die Tür zum ersten Krankenzimmer auf. Zigarettenrauch und der Geruch von abgestandenem Bier und Schnaps quollen ihm wie eine Wolke entgegen. »Wieso wird in einem Krankenzimmer geraucht und gesoffen?« fragte er laut über die Schulter.
    Cathérine stand dicht hinter ihm. Er spürte ihren Atem in seinem Nacken, als sie antwortete.
    »Bringen Sie den Ochsen bei, daß sie es nicht dürfen.«
    »Nichts einfacher als das.«
    Dr. Bender trat in das Zimmer, ging zum ersten Bett und nahm von dem Holzstuhl, der als Nachttisch diente, die Zigaretten und die Bierflasche weg. Der Kranke – es war die Fußquetschung – sprach kein Wort, er drehte sich nur auf die Seite, streckte Dr. Bender seinen Hintern unter die Nase und ließ einen streichen. Der Kranke im Nebenbett – die Gelbsucht – lachte meckernd.
    Dr. Bender nickte ungerührt. »Das ist gut«, sagte er und klopfte dem Mann vor sich auf
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