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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stellte ihn stumm vor Dr. Bender hin. Das Essen für die Kranken und für sich selbst holte Schwester Cathérine mit einem kleinen Handwagen von der Küche. Dr. Bender hielt Luciano am Ärmel des weiten Pullovers fest.
    »Sagen Sie dem Koch, daß ab morgen das Essen für die Krankenstation pünktlich gebracht wird! Ab sofort wird Schwester Cathérine nicht mehr mit dem Handwagen kommen. Haben Sie verstanden.«
    »Ich schon, dottore«, sagte Luciano grinsend. »Aber ob der Koch …?«
    »Das wird sich zeigen.«
    Nun saß Cathérine auf einer Holzbank, in einem dicken Pullover und mit Stiefeln an den schlanken Beinen. Die Wüstennacht war kalt und sternenklar. Die Sanddünen glitzerten schwarz, nur die Kuppen schienen wie mit Silber gestrichen. Auf dem Dach flatterten stumm die Geier. Wie zwei Totenfinger, die Gott anklagten, ragten die beiden Bohrtürme zu den Sternen empor. Weit weg hörte man das heisere Bellen von Schakalen.
    »Sie kommen von der Oase«, sagte Cathérine, als sich Dr. Bender neben sie auf die Bank setzte.
    »Wer?«
    »Diese Viecher. Der Koch, René Bourges, ist ein perverser Kerl … er lockt die Schakale mit den Küchenabfällen ins Lager. Er nennt sie ›meine Mülleimer‹.«
    »Warum sprechen Sie so, Cathérine?«
    »Was meinen Sie damit?« Ihr Kopf wandte sich zur Seite.
    »Sie reden wie ein Clochard … aber Sie sind eine hundertprozentige Frau.«
    »Blödsinn. Ich bin ein Sandfloh in der Wüste.« Ihre Stimme war rauh geworden, aber sie flatterte auch ein wenig. »Lassen Sie mir meine nächtliche Stunde, Doktor. Ich will mich nicht unterhalten … ich will Ruhe haben und in die Sterne sehen.«
    »Warum tragen Sie eine geladene Pistole?«
    »Sie ist nötig bei fast fünfzig Männern in der Wüste. Männern, die monatelang keine Frau sehen. Als ich hierher kam, habe ich Schlachten geschlagen … zuerst mit einem Brett, dann mit einer Eisenstange … schließlich schoß ich drei Kerlen in die Beine. Da hatte ich endlich Ruhe! Jetzt rührt mich keiner mehr an.« Sie wandte den Kopf und sah Dr. Bender aus graugrünen Augen an. »Ist das klar, Doktor?«
    »Ganz klar, Cathérine. Aber Sie sollten sich die Haare wachsen lassen. Sie könnten wunderbare Haare haben … goldgelb und matt glänzend wie die Pferde in der Camargue …«
    Er stand auf und ging, ohne sich umzublicken, ins Haus zurück. Cathérine starrte ihm nach, ihr schmaler Mund zuckte … dann krallte sie beide Hände in den Seidenschal um ihren Hals und zerriß ihn mit einem Ruck.
    Zum erstenmal nach sechs Jahren spürte sie ihr Herz.
    Am nächsten Tag, sieben Uhr früh, erreichten sie die Oase Bou Akbir. Die Fahrt mit dem Jeep über die Wüstenpiste war kein Problem gewesen. Zwei Geier von Station XI begleiteten sie, bis von Bou Akbir andere Geier herüberkamen und das Geleit übernahmen.
    »Das ist sie«, sagte Cathérine, als Dr. Bender anhielt und auf den großen grünen Fleck blickte, der dort mitten in der Sandwüste auftauchte. Eine Laune der Natur. Blühendes Leben inmitten eines toten Landes. Gärten und Palmen, weiße Häuser und Blüten, aus dem Sand gezaubert durch das Geheimnis des Wassers. »Seit 35 Jahren herrscht hier Seradji Achmed. Es ist die fortschrittlichste Oase im ganzen Süden der Sahara. Achmed ist ein hochintelligenter Kopf … Sie werden es ja gleich erleben.«
    Langsam fuhren sie in die Oase ein, zwischen schwer bepackten Eseln und Lastkamelen, die schon an diesem frühen Morgen große Steine von den nahen Wüstenfelsen in den Ort schleppten. Baumaterial für eine neue Planung Achmeds … er wollte eine neue, schöne, große Moschee in Bou Akbir errichten.
    Saada war auf dem Rückweg von dem alten Priester Kebir, der jeden Morgen einen Korb voll Früchte von Achmed bekam, als sie den Jeep durch die Hauptstraße fahren sah. Sie blieb stehen, strich ihr langes, schwarzes Haar aus der Stirn und lehnte sich an eine Gartenmauer.
    Ab und zu kamen Männer von den Bohrstellen in die Oase, meistens von der Küche, um Obst einzukaufen und frisches Gemüse. Die Bauern von Bou Akbir begrüßten sie stets mit Stolz und deutlichem Widerwillen, aber sie verkauften ihnen doch das Gemüse für gute Francs, denn sie nahmen überhöhte Preise, und die weißen Hohlköpfe bezahlten sie ohne zu handeln.
    Keine sechs Meter stand Saada von Dr. Bender entfernt, als dieser seinen weißen Korkhelm abnahm und sich Luft zufächelte. In diesem Augenblick schlug das Schicksal in Saadas Herz wie ein gewaltiger Blitz.
    Dieses Gesicht …
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