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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sanitäterausbildung gemacht. Erste Hilfe und so. Dann hat er im Algerienkrieg die verwundeten Berber versorgt. Sogar amputiert hat der Kerl. Seitdem nennt er sich Hakim.«
    »Er ist einer!« warf Achmed dazwischen. »In Bou Akbir gibt es keine Kranken.«
    »Weil sie rechtzeitig sterben …«
    »Es war ein Fehler Allahs, die Frauen mit einem Mund zu schaffen.« Achmed klatschte in die Hände. Der Diener erschien wieder, lautlos, wie ein Schatten aus der Wand, und räumte das Geschirr ab. Die Höflichkeit wurde weggetragen … nun blieb die verborgene Feindschaft übrig. »Ich habe keinen Kranken hier, Doktor, der zu Ihrer Beschreibung paßt.«
    Dr. Bender sah auf seine Hände. Was Cathérine von Bauern aus der Oase gehört hatte, war die Wahrheit. Die Symptome glichen genau denen der Hadjar-Krankheit. »Wir müssen sofort hin!« hatte Dr. Bender gesagt. »Wenn in Bou Akbir diese verfluchte Krankheit ist, kann hier bald der Teufel los sein! Ich habe für diesen Fall alle Vollmachten der Gesellschaft und der Regierung in Algier.«
    »Trotzdem möchte ich den Magenkranken einmal sehen«, sagte er jetzt und sah Seradji Achmed freundlich an. »Zur Sicherheit.«
    »Für die Sicherheit meiner Oase sorge ich selbst.«
    »Es kann eine ansteckende Krankheit sein.«
    »Sie ist es nicht.«
    »In einem halben Jahr kann Bou Akbir eine Leichenstadt sein.«
    »Wenn es Allahs Wille ist – wer kann ihn hindern?« sagte Achmed und blickte an die Decke des großen Audienzzimmers.
    »Ich werde es verhindern, Scheich.«
    »Er will Allah zwingen … welch ein Frevel!« Seradji sprang auf, seine schwarzen Augen glühten. »Ich spreche kein Wort mehr mit Ihnen, monsieur! Verlassen Sie mein Haus. Sofort! Sie beleidigten meinen Gott!«
    Dr. Bender und Cathérine erhoben sich von ihren runden Sitzkissen. »Das hat er gut hingekriegt«, sagte sie. »Wenn ein Gespräch bei Allah endet, gibt es keinen Rückweg mehr. Gehen wir, Doktor –«
    »Noch nicht.« Dr. Bender trat einen Schritt auf Achmed zu, der in stolzer Haltung, die Hände am Gürtel seines Untergewandes, wie ein Nachfolger der fanatischen Derwische wirkte. Die Dschellabah, den weiten Umhang, hatte er über die Schultern zurückgeschlagen. »Wenn in Ihrer Oase die Hadjar-Krankheit ist, wird sie auch Sie nicht verschonen, Scheich.«
    »Auch das liegt in Allahs Hand …«
    »Sie sturer Hund!« schrie Bender plötzlich. Achmed zuckte vor dem Ton zusammen, aber rührte sich sonst nicht. Außerdem hatte Bender deutsch gebrüllt, merkwürdige Töne, die Achmed noch nie gehört hatte. »Wissen Sie, daß ich Ihnen befehlen kann, mir den Kranken zu zeigen?« fuhr Dr. Bender wieder auf französisch fort.
    »Erst will er Allah befehlen, jetzt Seradji Achmed. Was ist das für ein wunderlicher Mensch?« Achmed wandte sich an Cathérine. Seine Augenbrauen waren hochgezogen. Was an Spott möglich war, lag in seinem Blick.
    »Das ist leicht zu erklären.« Dr. Bender nahm aus seiner Gesäßtasche eine dünne Brieftasche und holte daraus einen Brief hervor. Es war ein Schreiben des Gesundheitsministers von Algerien, der Dr. Bender bevollmächtigte, im Namen der Regierung zu handeln, was er auch tat. Nur weil die Hadjar-Krankheit so unheimlich und gefährlich war, konnte diese Vollmacht für einen Weißen zustande kommen. Man hatte in Algier lange gezögert, bis man den Brief unterschrieb.
    Seradji Achmed las das Schreiben. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Wortlos gab er die Vollmacht an Dr. Bender zurück und blickte dann an ihm vorbei.
    »Ein unangenehmer Mensch«, sagte er stolz. »Mein Diener wird Ihnen den Weg aus dem Haus zeigen, monsieur –«
    Zwei Minuten später standen Dr. Bender und Cathérine wieder auf der Straße vor ihrem Wagen. Kinder spielten auf der Kühlerhaube und benutzten die hinteren Kotflügel als Rutschbahnen. Kinder, unbeschreiblich schmutzig, in zerfetzten Kleidern, in den Augenwinkeln Fliegen, als hätten sie dort ein Nest.
    »Das war ein vollendeter Rausschmiß«, sagte Cathérine sarkastisch. »Was wollen Sie tun, Doktor?«
    »Den Kranken suchen.«
    »Wie?«
    »Mit meiner Vollmacht. Gehen wir zur Moschee. Der Priester wird den Kranken auch kennen.«
    »Ihre dumme Vollmacht aus Algier können Sie sich einrahmen lassen als Bildnis von der Blödheit der Behörden! In der Wüste gilt das Gesetz Allahs … wie vor tausend Jahren! In Bou Akbir sind Sie ab heute ein Aussätziger … weil es Seradji Achmed will. Sie vergessen eins: Diese glühende Sonne trocknet die Hirne
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