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Zuckermacher 02 - Aschenblüten

Zuckermacher 02 - Aschenblüten

Titel: Zuckermacher 02 - Aschenblüten
Autoren: Mary Hooper
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Wach auf, Hannah!«, sagte Sarah und rüttelte mich ein wenig an der Schulter. »Binde dein Haar zusammen... Und könntest du dir vielleicht ein bisschen Wasser aus der Flasche ins Gesicht spritzen? Wir wollen nicht wie zwei verwahrloste Küchenmägde aussehen, wenn wir zu Myladys Haus kommen.«
    Mühsam schlug ich die Augen auf und sah meine Schwester an, die mir gegenÜber in der Kutsche saß und Grace, das schlafende Baby, in den Armen hielt. Ich gähnte ausgiebig.
    »Und halte beim Gähnen die Hand vor den Mund«, sagte Sarah, »sonst denkt Lady Jane noch, dass wir Überhaupt keine Manieren haben.«
    Aber ich gähnte einfach noch einmal und schloss die Augen wieder, weil es mich zu viel Mühe kostete, sie offen zu halten. Nach beinahe drei Tagen auf der Straße und zwei Nächten in Wirtshäusern am Wegesrand, mit Grace, die die meiste Zeit Hunger hatte und schrie wie am Spieß, konnten mich weder das ständige Gerüttel der Kutsche und das Klappern der harten Räder auf der holprigen Straße noch das anhaltende Trappeln der Pferdehufe vom Schlafen abhalten.
    Verschwommen und wie aus der Ferne nahm ich wahr, dass Sarah sich an Mr. Carter, unseren Kutscher, wandte. »Ist es noch sehr weit bis Dorchester?«, rief sie ihm zu, doch seine Antwort wurde vom Klappern, Klirren und Rasseln Übertönt.
    London schien weiter weg zu sein als nur eine Dreitagereise. Alles war schon so anders. Wenn ich zwischen den Vorhängen unserer Kutsche hervorspähte, sah ich keine Leichen auf der Straße liegen, auf den Türen gab es keine Kreuze, ich hörte nicht die Schreie derer, die in übel riechenden Häusern eingeschlossen waren, und nirgends fuhren Totenkarren, die ausgezehrte Leichen zu den Pestgruben brachten. Man sah nur Felder und Vieh und gelegentlich Dörfer, und die endlos lange, staubige Straße, die uns schonungslos durchrüttelte.
    Die Zeit, als wir in London gelebt hatten, bedroht von der schrecklichen Pest, die viele unserer Freunde und Nachbarn in den Tod gerissen hatte, schien sehr weit weg zu sein, so als wäre das alles in einem anderen Leben geschehen.
    Meine liebe Freundin Abby war Kindermädchen in einem der herrschaftlichen Häuser gewesen. Als dieses Haus der Pest zum Opfer fiel und für vierzig Tage zugesperrt wurde, steckten sich die Bewohner einer nach dem anderen damit an und starben. Am Ende war nur noch Abby am Leben - und Grace, der Säugling, um den sie sich kümmerte. Als Abby ebenfalls erkrankte, vertraute sie uns das Baby an. Meine
    Schwester Sarah und ich hatten Grace heimlich aus dem Haus geholt und brachten sie jetzt mit Hilfe der Gesundheitsbescheinigungen, die für Abby und ihre Herrin Mrs. Beauchurch gedacht gewesen waren, zu ihrer Tante, der Schwester ihrer Mutter, Lady Jane Cartmel in Dorchester.
    Ich war wohl wieder eingenickt, denn das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass Sarah mich am Arm rüttelte. »Hast du schlecht geträumt?«, fragte sie mich. »Du hast etwas vor dich hin gemurmelt und dich hin und her geworfen.«
    Ich hob meinen Kopf, der nach vorn gesackt war, und schauderte. Ich hatte tatsächlich etwas geträumt, und es war kein angenehmer Traum gewesen. Abby hatte so vor mir gestanden, wie ich sie zuletzt gesehen hatte, den Körper von Pestflecken entstellt. Sie hatte mir die kleine Grace hingehalten. Doch ich konnte das Baby nicht festhalten, als ich nach ihm griff, wurde es zart und klein wie ein Wechselbalg, schlüpfte mir durch die Finger und schwebte durch die Luft davon. Abby und ich sahen zu, wie Grace an uns vorbeiglitt, und weinten zusammen.
    »Ich habe von Abby geträumt«, sagte ich zu Sarah, und meine Augen füllten sich mit Tränen. »Und von Grace. Ich habe versucht, sie zu halten, aber sie ist einfach davongeschwebt.«
    Sarah warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Aber jetzt ist Grace gut aufgehoben«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Keiner, der ihr Geschrei gehört hat, würde daran zweifeln.« Sie beugte sich quer durch die Kutsche zu mir herÜber und strich mir Über den Arm. »Und Abby hat jetzt ihren Frieden, ohne Schmerzen und ohne Pest. Vielleicht wacht sie ja sogar Über uns, damit wir gut für Grace sorgen.«
    Ich unterdrückte meine Tränen und nickte. »Ich mache mir nur Sorgen, dass sie vielleicht nicht genügend Milch bekommt«, sagte ich. Wir hatten zwar Flaschen mit Eselsmilch dabei, doch wir wussten natürlich, dass das kein Ersatz für Muttermilch war. »Vielleicht gibt es in dem großen Haus ja eine Amme, die sie richtig versorgen
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