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Viel Laerm um Stratfield

Titel: Viel Laerm um Stratfield
Autoren: Jillian Hunter
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1. KAPITEL
    England, 1814
    Der kürzlich verstorbene Dominic Breckland, Viscount Stratfield, kam in einem Meer aus weiblicher Unterwäsche wieder zu Bewusstsein. Mit dem ganzen Körper kämpfte er gegen den Sog aus Spitzenunterkleidern und weißen Seidenstrümpfen an. Seine muskulösen Arme verfingen sich in den Schnüren und Taillenbändern von Korsetts aus steifem Leinen, die nach Lavendel dufteten, und seine kräftigen Schenkel waren von einem Paar reizender französischer Unterhosen aus feinem Baumwollbatist umwickelt. Wie einer verwundeten Kreatur der Nacht war es ihm gelungen, der Gefangennahme zu entgehen und an dem Ort Asyl zu suchen, an dem ihn seine Verfolger zuallerletzt suchen würden.
    Von einem primitiven Überlebensinstinkt angetrieben, war er auf die knorrige Eiche vor dem Herrenhaus geklettert und hatte seinen verletzten, blutenden, einen Meter achtzig großen Körper über das Fensterbrett gehievt. In der Hoffnung, seinen Verfolger überlistet zu haben, war er schließlich zusammengebrochen - in einer offenen Reisetruhe, die mit sehr persönlichen weiblichen Kleidungsstücken und frivolen Accessoires angefüllt war.
    Trotz seiner Erschöpfung wusste er die Ironie seiner Lage durchaus zu würdigen.
    Zumindest für den Augenblick war es ihm gelungen, seinem Verfolger zu entrinnen. Doch nach und nach durchtränkte sein Herzblut die Musselinunterröcke und zartrosa Strümpfe einer ihm unbekannten Frau. Schmerz brannte in seinem Oberkörper. Er biss die Zähne zusammen und zog eine hauchdünne, mit seidenen blauen Vergissmeinnichten bestickte Chemise aus feinem Batist von seinem Ellbogen. Amüsiert untersuchte er das Kleidungsstück im Mondlicht, auch wenn ihm durch die Schmerzen langsam etwas schwindelig wurde.
    Wenn er schon zum zweiten Mal innerhalb eines Monates sterben musste, konnte er auch mit einer erregenden erotischen Fantasie seinen Abschied nehmen. „Nun", murmelte er, „was für eine Art von Frau bist du überhaupt? Verrucht oder einfach nur modisch? Habe ich die Wahl? Dann entscheide ich mich für verrucht."
    Unglücklicherweise war er nicht in der Lage, mit dem jungfräulichen Kleidungsstück ein überzeugend erregendes Bild vor seinem inneren Auge heraufzubeschwören. Die Besitzerin konnte allem Anschein nach ein durchaus ansehnliches Paar Brüste ihr Eigen nennen, obwohl Dominic in seinem derzeitigen Zustand zugegebenermaßen nicht zu einer objektiven Einschätzung fähig war.
    Gütiger Himmel - die arme Frau würde vermutlich einen Herzanfall erleiden, wenn sie seine Leiche unter ihren spitzenbesetzten Unterhosen fand. Es schien ihm, als hätte dieses knarrende alte Herrenhaus früher einmal ihm gehört, irgendwann in den undeutlichen Nebeln der Vergangenheit, und er versuchte sich daran zu erinnern, wer es ihm abgekauft hatte. Zu seiner Enttäuschung versagte seine Erinnerung ihm den Dienst, und hinter seinen geschlossenen Lidern tanzten ungreifbare Bilder vorbei wie Motten in der Dunkelheit.
    War es nicht ein Schiffskapitän im Ruhestand gewesen? Sir Hickory oder Humpty? Irgendjemand mit Frau und Kind. An ihre Namen konnte Dominic sich im Augenblick nicht erinnern. Während er langsam verblutete, hoffte er, dass man ihm diese Unhöflichkeit nachsehen würde.
    „Humpty Dumpty fiel von der Mauer", murmelte er. „Aber wer, zum Teufel, war seine Frau?" Wenn er sich schon in der Unterwäsche dieser Frau wälzte, sollte er wenigstens ihren Namen kennen.
    So mancher hätte vielleicht darauf hingewiesen, dass es nicht allzu überraschend gewesen wäre, wenn man Dominic tot in einer Truhe voller Unterröcke gefunden hätte - zumal er als Schurke bekannt gewesen war, der die englische Gesellschaft nur allzu gerne brüskierte. Seine engsten Freunde hätten sich sogar leicht dazu entschließen können, ihn mit einem Leichentuch aus Frauenwäsche zu begraben, um damit liebevoll an seine vergangenen Sünden zu erinnern.
    Andererseits jedoch war Dominic bereits vor fast einem Monat offiziell „beerdigt" worden. Wenige hatten um ihn getrauert, und viele hatten ihn verflucht. Abgesehen von den hartnäckigen Gerüchten, dass sein Geist angeblich an den seltsamsten Orten auftauchte und dort die unartigsten Dinge tat, erwartete niemand ernsthaft, ihn je wiederzusehen.
    Weder seine Dienstboten noch seine weit verstreuten Bekannten.
    Er vertraute nur einem einzigen Menschen. Dem Mann, der ihm geholfen hatte, sein eigenes Begräbnis zu organisieren.
    Die spätabendliche Stille des Landhauses wurde von
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