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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Tonne Benzin. Warum laßt ihr euch das gefallen?! Warum duldet ihr es, daß die Bohrtürme in unserem Land stehen wie Geschwüre? Allah gab uns die Wüste, rein wie eine Mädchenhaut nach dem Bade … was hat man aus ihr gemacht? Und auch deine Saada wird man holen … irgendein Weißer wird sie verführen und ihr Herz brechen. Allah schickte den Traum zur Warnung … denk an mich in den nächsten Wochen, Seradji –«
    Achmed gab dem alten Kebir zehn Francs und ein Töpfchen mit kandierten Datteln, begleitete ihn bis vor das Haus und drückte ihm die Hand.
    »Es wird vieles anders werden«, sagte er dabei fast feierlich. »Es gibt noch mutige Männer in der Wüste. Die Sonne und der Sand ziehen ein starkes Geschlecht, Kebir. Ich werde die Augen offenhalten.«
    Von diesem Tage an war Saada nie mehr allein. Wenn Seradji Achmed nicht in ihrer Nähe war, wurde sie von einer alten Frau begleitet, die hinter oder neben ihr herlief wie ein Hündchen.
    Zwei Tage nach dem Traum zeichnete Saada auf ein Blatt Papier das Gesicht des Mannes, von dem sie geträumt hatte. Am nächsten Morgen war das Blatt verschwunden, Achmed ließ es suchen, stellte das Haus und den Garten auf den Kopf und fluchte Allahs Zorn über alle Hausbewohner. Aber man fand die Zeichnung nicht. Das war verständlich, denn sie lag im Dienstzimmer Achmeds im Aktenschrank abgeheftet unter ›Bauvorhaben‹, und wer sucht schon im Büro des Scheichs?
    Achmed aber beschäftigte sich intensiv mit dem Bild. Er prägte sich die Gesichtszüge ein, er saugte sie in sich auf wie ein Kamel Wasser in seinen Höcker. Bald war ihm das Gesicht so geläufig wie sein eigenes, und es kam die Nacht, in der auch er von diesem Manne träumte … nur war dieser jetzt das Opfer, das von der Klinge Achmeds durchbohrt, sein Leben aushauchte.
    »Er entgeht mir nicht!« sagte er stolz später zu dem alten Kebir. »Ich werde ihn erkennen, wenn er die Oase betritt. Er lebt schon nicht mehr, denn ich habe ihn aufgefressen –«
    Aber der Fremde kam nach Bou Akbir.
    Er war schon unterwegs, als Seradji Achmed noch das Bild Saadas in sein Herz preßte.
    »Haben Sie sich das so vorgestellt?« fragte Léon Boucher, der Hubschrauberpilot aus Ouargla und flog noch einen weiten Kreis über den Erg Tifernine.
    Dr. Ralf Bender blickte hinunter auf die Wüste. Die Trostlosigkeit der Sanddünen, die Unendlichkeit des gelben, gewellten Meeres, die flimmernde Luft, die wie eine Wand aus Kristall stand, der weißblaue Himmel, aus dem die Glut geschleudert wurde, alles das ergriff ihn mit einer prickelnden Unruhe.
    Als sie weiterflogen, hinüber zu den Erhebungen der Wüstenberge von Issaouane, über Geröllhalden und Felsen, die aussahen wie riesige, gebleichte Gerippe von Urwelttieren, als er plötzlich, auftauchend aus dem Nichts, wie geboren aus heißer, zitternder Luft, die beiden Bohrtürme, die staubüberzogenen Baracken und die Fahnenstangen mit den träge hängenden Flaggen von Algerien, Frankreich und den USA in der Wüste auftauchen sah, nickte er und drückte die Stirn gegen die gläserne Kanzel des Hubschraubers.
    »Genauso, nicht anders, habe ich mir das gedacht«, sagte er.
    »Sie waren noch nie in der Sahara?«
    »Nein.«
    »Blödsinn, Sie ausgerechnet nach Bou Akbir zu schaffen.«
    »Ist die Sahara nicht überall so wie hier?«
    »O nein! Es gibt auch Perlen in diesem Meer aus Sand, Geröll und Salzseen. In Salah, oder Bou-Saada oder El-Goléa, Ouargla kennen Sie ja jetzt … auch dort läßt es sich gut leben. Aber hier, monsieur docteur … ich kenne nichts Trostloseres als den Erg Tifernine. Wie die Kerle das da unten an den Öltürmen aushalten, ist ein Rätsel. Ich würde wahnsinnig, bestimmt, monsieur.«
    Der Hubschrauber flog eine Schleife über die Station XI; Dr. Bender hatte Zeit genug, sein neues Wirkungsfeld zu betrachten. Das muß die Krankenbaracke sein, dachte er, als sie über das weiße Steinhaus flogen. In drei Tagen wird mit einer Lastwagenkolonne die Laboreinrichtung aus Hassi-Messaoud eintreffen. Von Marseille ist sie nach Algier geflogen worden, von dort mit einem Transporter der ›Sahara-Petrol‹ nach Hassi-Messaoud. Die Kolonne ist schon unterwegs … bis el Kahla sind es 421 km durch Glut und Sand, und von el Kahla noch einmal 96 km bis zur Station XI … 517 Kilometer durch ein Land, das geschaffen wurde, Menschen zu vernichten.
    »Sollen wir landen, docteur?« fragte Léon Boucher sarkastisch. »Oder soll ich umdrehen? Noch können Sie nein sagen.
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